Politischer Nachlass:Vaters Akten

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Walter Kohl im Juni vor dem Haus seines Vaters in Oggersheim. (Foto: picture alliance/Uwe Anspach)

Das Thema Erbschaft sei in seiner Familie "komplett erledigt", sagt Walter Kohl, Sohn des früheren Bundeskanzlers. Doch so leicht ist es eben doch nicht, zumindest mit der Übergabe des politischen Nachlasses an eine Stiftung.

Von Detlef Esslinger, München

Gerichtsverhandlungen sind öffentlich, aber das heißt nicht, dass die Öffentlichkeit jede Verhandlung mitbekommt. Im vergangenen Jahr regelte das Landgericht Frankenthal die Erbschaftsangelegenheiten der Familie Kohl, und in einem dürften sich der damals noch lebende Altbundeskanzler, seine Frau und seine beiden mit ihnen zerstrittenen Söhne einig gewesen sein: wie gut, dass den Aushang am Sitzungssaal offenbar niemand gesehen hatte. Unbeobachtet von Reportern konnte das Gericht verhandeln und entscheiden. Am Dienstagabend sagte Walter Kohl, der ältere Sohn, in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz: "Wir haben 2016 auch auf Initiative meines Bruders hin eine juristische Klärung vom Landgericht Frankenthal erwirkt." Jetzt sei alles geklärt. "Das Thema Erbschaft in der Familie ist komplett erledigt."

Wer bekommt was? Walter Kohl war in der Vergangenheit und auch in seinem Auftritt am Dienstag nicht immer um ein Maximum an Diskretion bemüht - aber über dieses Thema wollte er weder bei Lanz noch anschließend Auskunft geben. Es gibt Dinge, die gehen auch nach seiner Meinung die Öffentlichkeit nichts an. Was sie aber sehr wohl etwas angeht: Was nun aus all den Aktenordnern, Terminkalendern und Notizen wird, die Helmut Kohl zwar in seinem Privathaus in Ludwigshafen aufbewahrte, die jedoch sein Wirken als öffentliche Person beschreiben. Walter Kohl wiederholte und präzisierte bei Lanz bereits früher geäußerte Vorstellungen von ihm und seinem Bruder Peter. All das Material solle an eine Stiftung gehen, die es neutral, unabhängig und professionell aufbewahrt, das heißt, in der weder die Brüder noch die Witwe eine Rolle spielen. Walter Kohl sagte: "Die Stiftung sollte an einem neutralen staatlichen Ort - Beispiel Bundesarchiv - aufgehängt sein, sie sollte von Fachleuten, von Historikern, von kompetenten, von objektiven Menschen geleitet werden."

Es ist eine Haltung, die anerkennt, dass nie mehr ein reiner Privatmann ist, wer einmal das Amt des Bundeskanzlers übernommen hat. Walter und Peter Kohl geht es darum, einen Modus zu finden, in dem der sozusagen politische Nachlass ihres Vaters nicht zum permanenten Streitgegenstand zwischen ihnen, der Witwe des Vaters, Historikern und Vertretern des Staates wird. Was soll eigentlich in zehn oder in zwanzig Jahren sein, wenn sich dann Schüler, Studenten, Forscher oder auch nur an Zeitgeschichte interessierte Menschen für den einstigen Kanzler der Einheit interessieren? Sollen auch ihnen Zugänge zu Dokumenten verwehrt bleiben, nur weil sich Kohls Hinterbliebene einfach nicht einig werden, respektive der Ansicht sind, die exklusiven Hüter dieses Schatzes zu sein?

Unter den Söhnen Kohls setzt man dem Vernehmen nach auf eine Art "Machtwort der Bundesregierung". Aber ein Machtwort ist nichts, was im deutschen Erbrecht vorgesehen wäre. Das zeigt schon der Titel des einschlägigen Paragrafen 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): "Gesamtrechtsnachfolge" steht dort. Und in Absatz 1: "Mit dem Tode einer Person geht deren Vermögen als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen über."

Mit anderen Worten: Auch bei einem verstorbenen Altbundeskanzler gibt es keine Hinterlassenschaft, die außerhalb dessen Nachlasses stünde. Die Erben müssen sich einigen - und nur, weil sogar die Witwe Willy Brandts und dessen Söhne sich einig geworden sind, konnte der Bundestag 1994 die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung einrichten, dessen Kuratorium die Witwe Brigitte Seebacher und der Sohn Peter Brandt angehören. Ein Gericht kann bei der Aufteilung eines Erbes allenfalls einschränkend wirken, nicht aber jemanden übertrumpfen. Übertragen auf den Fall Kohl heißt das: Solange die Witwe Maike Kohl-Richter nichts von einer Übergabe des "politischen Nachlasses" an eine Stiftung oder an wen auch immer hält, so lange wird es keine Übergabe geben.

Noch etwas Harmonisches zu Helmut Kohl? Seit Mittwoch ist der Sitzungssaal der CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag nach ihm benannt. Zur Feier des Tages kam Domkapitular Dietmar Griebelmann und segnete den Raum; zuvor gab es einen Gedenkgottesdienst, den ebenfalls Griebelmann leitete und zu dem auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer von der SPD gekommen war. Aber niemand von der Familie.

© SZ vom 31.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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