Pfarrer sammelt für Moschee:Eine Investition in den Frieden

Lesezeit: 4 min

Der Pfarrer einer katholischen Gemeinde in Köln sammelt für den Bau einer Moschee - die meisten Menschen in seinem Stadtviertel finden das gut.

Monika Maier-Albang

Natürlich hat das Zusammenleben im Viertel manchmal auch ein hässliches Gesicht. An Weiberfastnacht hat es sich gezeigt - da schlugen Jugendliche einen deutschen Familienvater aus Köln so übel zusammen, dass der Mann gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Zwei der Täter sind verhaftet. Es sind Türken. Ausgerechnet Türken.

Pfarrer Franz Meurer sammelt in Köln für den Bau einer Moschee. (Foto: Foto:)

Pfarrer Franz Meurer hat das ein paar zusätzliche Schmähanrufe eingebracht in den Tagen, nachdem bekannt wurde, das seine katholische Gemeinde in der sonntäglichen Kollekte für den Neubau einer Moschee sammeln will. Nicht für eine neue Orgel, nicht für arme Christen in Osteuropa. Sondern für eine Moschee in der eigenen Stadt. "Pfaffe", "Muslimfreund", "Idiot" sind noch die harmlosen unter den Beschimpfungen, die Meurer seitdem erreichen.

Franz Meurer lehnt sein klappriges grünes Damenrad neben die Wand von St. Theodor, nimmt den Helm vom Kopf, sortiert erst mal seine Gedanken. Gerade kommt er von der Familie des Mannes, der zusammengeschlagen wurde. Die Frau muss seit Wochen mit vier Kindern allein zurechtkommen. Überdies hat sie Mietschulden. Darum will Meurer sich als Nächstes kümmern. Mit den Beschimpfungen, sagt er, könne er leben.

Die Kollekte für die Moschee war nicht seine Idee. Auch wenn er sie gutheißt. Es war die Idee des Pfarrgemeinderats der beiden zusammengelegten Kirchengemeinden St. Theodor und St. Elisabeth, die in den Kölner Stadtteilen Höhenberg und Vingst liegen - "HöVi" nennen sie sich hier.

So sitzt zunächst nur der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Michael Paetzold dem Gast gegenüber. Der Arzt ist SPD-Ratsmitglied, während Meurer der CDU angehört. Es gibt Kaffee aus dem neuen Automaten, der im Vorraum von St. Theodor steht.

Fünf Jahre alt ist die Kirche, ein runder Bau aus sandfarbenem Beton und Glas. Dass sie komplett unterkellert ist, war den Bauherrn wichtig, denn der Keller bietet Platz für die Kleiderkammer, eine Lebensmittelausgabe, den Gabelstapler, an dem arbeitslose Jugendliche einen Führerschein machen können und eine Fahrradwerkstatt. Armut, Verwahrlosung und Bewegungsmangel, sagt Meurer, hängen eng zusammen. Wenn die Eltern vor dem Fernseher abhängen, lernen es die Kinder nicht anders. Deshalb bekommen die Kinder hier in "HöVi" Fahrräder von der Kirche geschenkt.

Die Arbeitslosenquote in Vingst und Höhenberg liegt bei 25 Prozent. Also gibt es im Pfarrheim ein "Beratungsbüro für Hartz IV". Auf dem Spielplatz neben der Kirche sitzen drei rauchende Mütter, die selbst noch wie Kinder aussehen. Die Jüngste, die mit Baby zur Kleiderausgabe kam, war 13, sagt Meurer.

Deshalb unterstützt die Pfarrei sexualpädagogische Projekte. Und Meurer treibt voran, was er "Empowerment" nennt: Die Bürger sollen sich selbst um ihr Viertel kümmern. "Wir versuchen, an allen Ecken zu verhindern, dass dieses Viertel kippt", sagt Paetzold. Verbündete können da nicht schaden.

Das ist, wenn man so will, die metaphysische Erklärung dafür, warum eine katholische Gemeinde Geld für eine Moschee sammelt. In Köln-Ehrenfeld soll sie entstehen, auf der anderen Rheinseite. Bauträger ist der staatlich-türkische Verein Ditib, vertrauenswürdige Leute in Meurers Augen.

"Man muss mit denen zusammenarbeiten, die guten Willens sind", meint der Pfarrer. In einem Viertel, in dem fast jeder Dritte keinen deutschen Pass hat, ist das für ihn eine Überlebensfrage. "Wenn die Religionen kein Vorbild sind, gibt es keinen Frieden im Veedel."

Der Auslöser für die Kollekte ist banaler: Die Gemeinde feierte am 18. März den fünfjährigen Geburtstag ihrer Kirche - die alte war nach dem Erdbeben, das 1992 den Rheingraben erschütterte, baufällig. Von den "evangelischen Geschwistern", wie Paetzold sagt, hatten die HöVi-Katholiken zum Einzug eine Bibel bekommen. Nun wollten sie etwas schenken. Dabei fiel ihnen ein: "Da bauen doch ganz in unserer Nähe gläubige Menschen." - "Diese Idee hat uns natürlich gefallen", sagt Rafet Öztürk, Ansprechpartner für interreligiösen Dialog bei Ditib. Der Betrag sei Nebensache. "Das Symbol zählt. Dass die uns nicht alleine lassen beim Bau."

Nebeneinander, nicht miteinander

Eine Verbindung gibt es auch über den Kölner Architekten Paul Böhm. Der hat St. Theodor gebaut und die Ditib-Vorstände damit so beeindruckt, dass auch sie Böhm beauftragten. Bis 2009 soll ein "soziales Zentrum" entstehen.

Mit Gebetsräumen für 1500 Männer und 500 Frauen, Geschäften, Arztpraxen, Platz für Jugend- und Frauengruppen. Unterschriften gegen die Moschee werden jetzt schon in Ehrenfeld gesammelt.

Paul Böhm tüftelt gerade am Vorentwurf. Eine gläserne Kuppel soll die Moschee bekommen, eingefasst von Betonelementen, die sie wie Blütenblätter umgeben. Daneben ragen zwei Minarette auf, die mehr an Kirchtürme erinnern als an osmanischen Baustil.

Der Komplex, den er mit 20 Millionen Euro veranschlagt, werde "die Hochzeit zwischen Moderne und Tradition vollziehen". Mag sein, dass der Bau den Seelenzustand vieler Muslime in Deutschland abbildet: Seit Jahrzehnten ist man hier und noch immer nicht ganz angekommen.

Seine Pfarrei, sagt Paetzold, habe mit den Muslimen ein "gutes Nebeneinander". Aber nicht unbedingt ein Miteinander. Punktuell ist das mit Ditib geglückt, andere Vereine im Viertel schotten sich eher ab. Vor Weihnachten lud Meurer 15 Klassen der benachbarten Hauptschule zu einer interreligiösen Andacht in seine Kirche ein. Gemeinsam gebetet hat man nicht. Das hatte der Kölner Kardinal Joachim Meisner schließlich kurz zuvor verboten. Also haben Meurer und sein evangelischer Kollege Psalmen gelesen, ein Ditib-Hodscha Koranverse.

Nach der Feier erklärte die muslimische Religionslehrerin Müfide Erolan ein paar aufgeregten Fünftklässlern, dass es keine "Sünde" sei, wenn der Hodscha in einer Kirche spricht. "Das ist auch ein Haus Gottes." So wie sie neuen Schülern auch stets beibringt, dass Christen an Ostern nicht das Kommen des Osterhasen feiern.

Meurer wiederum erklärte seinen Kirchgängern, dass in einer Moschee weder Kniebänke noch Schellen gebraucht werden. Einen Vorhang wollen sie nun schenken. Nach der Kollekte lagen 811,75 Euro im Körbchen, rund fünfmal so viel wie an einem normalen Sonntag. Michael Paetzold ging selbst mit dem Klingelbeutel durch die Reihen.

So hat er auch gesehen, dass manche Kirchgänger bewusst nichts hineinlegten. Andererseits sei ihm eines auch noch nie passiert: dass er für die Ankündigung einer Kollekte Applaus bekommen hat.

© SZ vom 4.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: