Pannenserie in England:Saft ohne Kraft

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In England bleiben plötzlich Tausende Autos liegen - nun heißt es, der Treibstoff könnte gepanscht gewesen sein.

Wolfgang Koydl

Philip Bowyer aus Tunbridge Wells südöstlich von London merkte schnell, dass etwas nicht stimmte mit seinem silberfarbenen Mercedes 500. Er hatte gerade getankt und war ein paar Kilometer gefahren, als eine Fehlzündung nach der anderen aus dem Motorraum knallte. "Das Auto hat nicht mehr gezogen, und kam schließlich vollständig zum Stillstand", sagte Bowyer der BBC.

Tankstellen der Kette Tesco sind in den Verdacht geraten, an der Pannenserie schuld zu sein (Foto: Foto: afp)

In den vergangenen 24 Stunden haben sich Tausende Autofahrer hauptsächlich aus London und dem Südosten von England gemeldet, deren Fahrzeuge alle dieselben Symptome zeigten: Fehlzündung und rapider Geschwindigkeitsverlust.

"Er ist nicht schneller als drei Kilometer in der Stunde gefahren, obwohl ich das Pedal voll durchgedrückt hatte", schilderte der Rentner Spencer Lewis aus Watford seine Erfahrung mit seinem Hyundai Elantra. "Ich habe eine Stunde gebraucht, bis ich zu Hause war."

Allen Fällen gemeinsam ist nach bisher vorliegenden Informationen, dass alle betroffenen Fahrer vorher an einer Tankstelle getankt hatten, die zu einer der beiden großen Supermarktketten Tesco und Morrison gehörten. Obwohl erste Tests negativ ausgefallen sind, bleibt der Verdacht, dass hier gepantschter Treibstoff verkauft wurde, zumal ausschließlich bleifreies Benzin mit 95 Oktan betroffen ist. Inzwischen wurden auch Klagen von Kunden anderer Supermarktketten wie Asda und Sainsburys bekannt.

Versagen der Sauerstoffsensoren

Ein erster Verdacht richtet sich gegen die Natursubstanz Äthanol, die Treibstoff zugesetzt wird, um ihn umweltverträglicher zu machen. Diese Maßnahme wird ausdrücklich von der Regierung in London gefördert. Nach Ansicht von technischen Experten kann ein Problem auftreten, wenn die Substanz nicht richtig beigemischt wird, da dann die Treibstoffpumpe Blasen reinen Äthanols ansaugt. Dies würde als Fremdkörper identifiziert, was zum Versagen der Sauerstoffsensoren im Motor führe.

In so gut wie allen Fällen sind es diese Sensoren, die ersetzt werden müssen. Angesichts der großen Nachfrage müssen viele Autofahrer nun auch noch mit wochenlangen Wartezeiten rechnen, bis ihre Fahrzeuge repariert werden können.

Ölfirma kann nichts feststellen

Die unabhängige Ölfirma Greenergy, die jedes Jahr 1,5 Milliarden Liter mit Äthanol vermischtes Benzin an Tankstellen ausliefert, hat trotz umfangreicher Tests keine Probleme entdecken können. "Wir haben unser Benzin abermals und abermals überprüft, und auch Tesco hat Tests durchgeführt, aber wir konnten nichts feststellen", erklärte ein Sprecher.

Damit ist freilich nicht erklärt, warum urplötzlich Tausende Fahrzeuge im ganzen Land liegen bleiben. "Ich bin seit 30 Jahren in dieser Branche, aber ich kann mich nicht erinnern, dass jemals so etwas passiert wäre", erklärte Ray Holloway vom Verband britischer Tankstellenbetreiber. "Deshalb ist es auch schwierig, schon jetzt eine Ursache zu definieren."

Fahrer fordern Schadenersatz

Die Kosten für die Reparatur schwanken je nach Automarke und Wagentyp, liegen aber bei mindestens 500 bis 700 Euro. Philip Bowyer aus Tunbridge Wells, der sich selbst als "stocksauer" bezeichnete, musste gar 1500 Euro bezahlen. So wie er fordern immer mehr Fahrer Schadenersatz - entweder von den Raffinerien oder von den Supermarktketten. Denn der Schaden wird von den wenigsten Versicherungen anerkannt.

Das Problem liegt nach Ansicht von Rechtsexperten nun darin, nachzuweisen, wo man das Benzin gekauft hat. Zumindest ein Autofahrer freilich konnte sich eine Portion Schadenfreude nicht verkneifen. Auf der Website der Tageszeitung Daily Mail meldete sich ein gewisser J.D. Thierney aus Southport zu Wort: "Mein 34er Bentley hat kein Problem mit diesem Benzin", schrieb er. "Was, bitte, ist ein Sauerstoffsensor?"

© SZ vom 02.03.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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