Orkan löst Stahlträger an Mehdorns Schmuckstück:"Der Bahnhof hat geschwächelt"

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Die Deutsche Bahn war gut auf den Supersturm "Kyrill" vorbereitet - nur auf Schäden am neuen Berliner Hauptbahnhof nicht. Dort löste sich ein Stahlträger - und sorgte dafür, dass Mehdorns Prestigeobjekt dicht gemacht werden musste.

Hartmut Mehdorn war zu seinem Schmuckstück geeilt. Am Vormittag stand der Bahnchef im neuen Berliner Hauptbahnhof und gab ein Statement ab: Über den Sturm "Kyrill" und seine Folgen. Darüber, dass der bundesweite Bahnverkehr nach dem Orkan spätestens am Nachmittag wieder rollen würde.

Und, davon, dass der Hauptstadtbahnhof, in dem er gerade redete, gegen Mittag wieder geöffnet werden sollte. Denn der Neubau war nachts geräumt und dicht gemacht worden, die Züge an anderen Bahnhöfen abgewickelt worden - aus Sicherheitsgründen.

Ein tonnenschwerer Stahlträgers hatte sich während des Sturms von der Bahnhofsfassade gelöst und war abgestützt. Mehdorn gab sich in diesem Fall zerknirscht. Der "Bahnhof ist schön, er ist zweckmäßig, er hat in den letzten zwölf Stunden geschwächelt".

Der Vorfall habe die Bahn überraschend getroffen: "Das ist natürlich das Letzte, womit wir gerechnet haben." Nun müssten Architekten und Statiker die Ursache untersuchen.

"Die werden sich ein genaues Bild von den Umständen machen müssen", sagte der Bahnchef, der mit dem Architekten Meinhard von Gerkan wegen mehrerer Dachkonstruktionen des etwa eine Milliarde Euro teuren Baus im Rechtsstreit liegt.

Mehdorn war sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. Er sagte: "Wir werden alles tun, dass so etwas nicht wieder passiert." Und überhaupt: Der Konzern war laut Mehdorn passabel auf "Kyrill" vorbereitet.

Der Zugverkehr sei rechtzeitig heruntergefahren worden. Nur ein Zug habe einen Bahnhof nicht erreicht, er sei dann aber später eingeschleppt worden.

Die Fahrgäste, die sich in der Nacht in den Bahnhöfen aufhalten mussten, seien gut versorgt worden, sagte Mehdorn. Zeitweise seien mehr Bahnbeschäftigte als Fahrgäste in den Bahnhöfen gewesen. Das komplette Ausmaß der Sturmfolgen habe die Bahn aber nicht voraussehen können. "Wir sind keine Propheten."

Bei Entschädigungen wolle sich die Bahn kulant zeigen. Doch dies sei ein Notfall gewesen. Darum: "Wir können nicht alle entschädigen", sagte Mehdorn. Ob er damit auch die etwa 300 Reisenden meinte, die vor dem geschlossenen Berliner Hauptbahnhof gestrandet waren, ist unklar. Immerhin hatte nahe gelegende Bahnhofsmission Erbarmen und versorgte die Frierenden.

Lobende Worte für die Bahn kamen wenigstens von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Der SPD-Politiker befand, die Mitarbeiter der Deutschen Bahn hätten auf die Situation "schnell, flexibel und professionell" reagiert. Die Organisation dieses Notfalls habe "nahezu perfekt geklappt".

Aber eben nur nahezu, wie das Beispiel Berliner Hauptbahnhof zeigt. Dabei war das Prestige-Objekt der Bahn erst im Mai mit großem Tamtam eröffnet worden.

Acht Jahre wurde an dem Kreuzungs-Bahnhof gebaut, mehr als eine Milliarde soll das Ganze gekostet haben - so viel wie kein anderer Bahnhofsneubau seit 1945.

Blickfang in dem von Architekt Meinhard von Gerkan entworfenen Ensemble sind die gläsernen Hallendächer. Das Tageslicht fällt an markanten Stellen mehr als 40 Meter tief bis in das Untergeschoss.

Der Hauptbahnhof mit seiner spektakulären Architektur über fünf Geschosse gilt als eine Meisterleistung moderner Ingenieurbaukunst, manche schwärmen sogar von einer "Kathedrale des Reisens". Der Hauptbahnhof ist der Nachfolgebau des Lehrter Kopfbahnhofs, der von 1871 bis 1959 an dieser Stelle stand.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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