Oliver Kahn:Ein Ablasszettel aus Hamburg

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Torwart Kahn und die angebliche Liebesnacht mit Verena - "Bild am Sonntag" entschuldigt sich für eine Zeitungsente.

Von Phillip Selldorf

Wenn Uli Hoeneß sein Büro verlässt und sich mit stampfendem Schritt den Reportern am Trainingsplatz nähert, dann ist meist etwas geschehen, das den Manager des FC Bayern München in den Kulturpessimismus getrieben hat.

Auch am Montag war das so, als Hoeneß den Journalisten seine Wut auf "unsere beschissene Gesellschaft" schilderte. Deren grassierender Voyeurismus sei schuld daran, "dass Fotografen die ganze Nacht vor den Häusern lauern", vor den Häusern der Bayern-Profis nämlich.

Respektive, wie üblich: vor dem Haus von Oliver Kahn in Grünwald.

In Anbetracht der wuchernden Unverschämtheiten werde Selbstverteidigung eines Tages zur Selbstjustiz, warnte Hoeneß: "Wenn das nicht bald aufhört, kann ich mir gut vorstellen, dass einem mal die Hand ausrutscht."

Allerdings hat diese Geschichte der Empörung über die Schamlosigkeit der Presse und ihres Publikums eine wunderbare Pointe: Die Wut des Managers entzündete sich an Fotos aus Kahns Privatleben, die Bild am Sonntag und tags darauf Bild als Dokumente des Comebacks der Kahn-Geliebten Verena K. veröffentlicht hatten.

Die Aufnahmen der Blätter aus der Axel Springer AG zeigen Kahn beim Verlassen seiner Wohnung in Grünwald und seien am Freitagmorgen entstanden, hieß es in dem Enthüllungsartikel der Bams, der die Überschrift trug: "Erst Liebesnacht, dann Scheidungsschlacht" - der Nationaltorwart wird demnächst von seiner Frau Simone geschieden.

Dabei hatte Kahn die Nacht überhaupt nicht in München verbracht - und war deswegen dort auch nicht mit seiner Freundin Verena zusammengetroffen. Weshalb logischerweise auch keine heimlichen Bilder entstanden sein können.

Torwart Kahn, den die Boulevardpresse "Titan" nennt, machte stattdessen, was er am allerliebsten tut - er spielte Golf. Und für seine Widerlegung der Bams- und Bild-Geschichte konnte er den allerbesten Kronzeugen anführen: Den Sportchef der Bild-Zeitung Alfred Draxler, der wie Kahn zu den erlesenen Gästen eines von Franz Beckenbauer höchstpersönlich verantworteten Golf-Turniers in Bad Griesbach gehört.

Draxler wohnte mitsamt seiner Frau im selben Hotel wie Kahn ("Maximilian") und traf ihn dort zum Plausch im Frühstückssaal. Man tauschte sich über die Misere der Nationalmannschaft aus und über das Problem, einen neuen Bundestrainer zu finden.

Griesbach statt Grünwald, das war die Wahrheit. Weitere Zeugen für Kahns Golf-Alibi: ein ehemaliger Bundestrainer (Erich Ribbeck), ein Schlagersänger (Howard Carpendale) und ein Schauspieler (Sascha Hehn)."War Liebesnacht frei erfunden? Hetzjagd auf Kahn", schlagzeilte das Münchner Boulevardblatt tz.

Nun bekamen die Springer-Blätter am Dienstag ein gewaltiges Problem. Oliver Kahn fasste es prägnant in eine durchaus hämische Presseerklärung: "Die Behauptungen sind frei erfunden, die Fotos getürkt beziehungsweise recycelt. ... Im übrigen werde ich es nicht mehr hinnehmen, dass meine Privatsphäre derart grob verletzt wird, wie dies Bild am Sonntag und Bild getan haben - unabhängig davon, dass ihre Geschichten frei erfunden waren."

In der Zeitungszentrale in Hamburg am Axel-Springer-Platz wurde recht schnell reagiert. Claus Strunz, Chefredakteur von Bild am Sonntag, schickte eine Presseinformation durch die Republik, die einem Ablasszettel gleich kam.

Darin bat der Journalist den Torwart Kahn "öffentlich um Entschuldigung für eine falsche Berichterstattung in der Ausgabe vom 18. Juli 2004". Die Story habe auf Agenturfotos basiert, die der Zeitung "mit falschen Zeit- und Datumsangaben" angeboten wurden. Es habe sich erst später herausgestellt, dass Bild am Sonntag "trotz Quellenprüfung und vorliegender eidesstattlicher Versicherung des Fotografen offenbar einem vorsätzlichen Betrug aufgesessen ist".

Die Zeitung erstatte deshalb gegen den betreffenden Fotografen Strafanzeige. "Wir haben einen schweren Fehler gemacht", schreibt Strunz: "Der Leidtragende ist Oliver Kahn und dies bedauern wir sehr." Die Berichte in der BamS und in der Montags-Bild verschwanden am Dienstagnachmittag aus dem Online-Angebot der Springer-Blätter.

Derzeit befindet sich Kahn bereits im Rechtsstreit mit der Illustrierten Die Aktuelle, die Geschichten aus dem Privatleben des Bayern-Profis zu ihrem Daseinszweck erhoben hat und Bild regelmäßig als Vorlage für Regenbogenstories über den Torwart diente. Während Kahns Ferien verfolgten Reporter die Spur des Titanen in Miami und Saint-Tropez. Sie befanden sich allerdings auf einem spesenträchtigen Irrweg, wie immer erholte sich Kahn auf Sardinien.

© SZ vom 21.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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