Oldenburger Prozess um Markus-Mord:Zeugin verwickelt sich in Widersprüche

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Im Prozess um den vor 26 Jahren getöteten vierjährigen Markus ist die Glaubwürdigkeit der entscheidenden Zeugin erschüttert worden. Gutachter sehen die Gefahr von "Scheinerinnerungen".

Vor dem Oldenburger Landgericht zeigten sich am Freitag Unstimmigkeiten zwischen ihren Angaben und örtlichen Gegebenheiten. Die Polizei soll nun prüfen, ob die Aussage in diesem Punkt falsch ist.

Die Mutter des 1981 getöteten Jungen, Monika K.(rechts, mit ihrer Anwältin), bestreitet die Anschuldigungen. (Foto: Foto: dpa)

Wenn dies zuträfe, würde die ganze Aussage zusammenbrechen, sagten Gutachtern vor Gericht. Bei der 36-jährigen Zeugin handelt es sich um die zur Tatzeit neunjährige Cousine von Markus. Sie beschuldigt dessen Mutter Monika K., ihn erdrosselt zu haben.

Sie habe am 19. August 1981 gesehen, wie Monika K. Den Vierjährigen in Oldenburg erdrosselt habe, sagte sie als Zeugin aus. "Er war nur noch am Zappeln." An jenem Tag sei sie nach der Schule bei der Familie K. Gewesen und habe mit Markus gespielt. Dann habe die Mutter sie weggeschickt. Monika K. Sei mit Markus auf dem Fahrrad fortgefahren, und sie sei ihnen zunächst heimlich mit dem Rad gefolgt.

Dabei sei sie durch ein Einkaufszentrum gefahren. Dann habe sie ihr Rad an einer Bushaltestelle abgestellt, sei ihrer Tante zu Fuß gefolgt und habe sie bei dem Mord am Bahndamm beobachtet. Die Mutter habe sie bemerkt und ihr mit dem Tod gedroht, wenn sie nicht schweige.

Das Gericht äußerte Zweifel an dieser Aussage. Die von der Zeugin erwähnte Bushaltestelle habe 1981 noch nicht existiert, berichtete der Vorsitzende Richter. Aufgrund seiner Nachfrage habe er erst am Donnerstagabend ein entsprechendes Antwortfax von der Oldenburger Busgesellschaft erhalten.

Die Haltstelle sei erst nach dem Bau des Einkaufszentrums 1984 errichtet worden. Informationen aus dem Katasteramt lagen zunächst noch nicht vor, dafür aber ein Bericht der Nordwest-Zeitung über das Richtfest des Zentrums im Jahr 1983.

Der Richter betonte, es handele sich noch nicht um ein Ermittlungsergebnis, sondern müsse überprüft werden. Er sei aber überrascht, dass solche Angaben von der Polizei nicht überprüft worden seien.

Die Zeugin blieb bei ihrer Darstellung. Auch der am Nachmittag befragte Sachverständige bekundete nach den örtlichen Unstimmigkeiten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin.

"Seit heute besteht die Möglichkeit, dass die Zeugin irreale Details produziert", sagte Max Steller vom Institut für Psychiatrie der Berliner Charité. Er halte eine "Scheinerinnerung" für möglich.

Zuvor hatte er die Angeklagte aufgrund von Akten und Gesprächen für durchaus glaubwürdig gehalten, sagte nun aber: Wenn dieses Zentrum nicht da gestanden habe, habe er keine Möglichkeit mehr, die Zeugin als glaubwürdig anzusehen. Dann sei mit der Aussage, auf der das Verfahren basiere, "nichts mehr anzufangen", sagte Steller.

Die Glaubwürdigkeit der Zeugin ist der Angelpunkt des Verfahrens. Die Verteidigung hält sie für unglaubwürdig. Die Polizei glaubt ihr, weil sich ein Detail minuziös mit damals unbeachtet gebliebenen Angaben eines anderen Zeugen deckt.

Die Frau hatte im Frühjahr 2007 ihr Schweigen gebrochen. Sie saß wegen Betrugsdelikten in der Justizvollzugsanstalt Vechta und wollte nach eigenen Angaben ein neues Leben anfangen. Früher habe sie aus Furcht vor Monika K. Geschwiegen. Obwohl ihre Tante später nach Süddeutschland zog, fühlte sich die Angeklagte nach eigenen Angaben immer von ihr bedroht. Zwtl: Mutter bestreitet Tat

Die 49 Jahre alte Monika K. Soll laut Anklage 1981 ihren Sohn erdrosselt haben. Als Motiv vermuten die Ermittler, dass Markus aus einer früheren Beziehung stammte, ein schwieriges Kind war und von der Mutter als lästig empfunden wurde. Die Mutter war bereits 1981 in Verdacht geraten, weil an ihrer Kleidung Kletten gefunden worden waren, wie es sie auch an dem Bahndamm gab.

Außerdem waren Teppichflusen aus der Wohnung an der zum Erdrosseln benutzten Strumpfhose gefunden worden. Monika K. Hatte jedoch ein Alibi für die damals vom Gerichtsmediziner angenommene Todeszeit am Abend. Laut einem aktuellen Gutachten kann Markus jedoch weit früher getötet worden sein als damals angenommen. Die Angeklagte bestritt den Vorwurf zum Prozessauftakt am Dienstag wie schon vor 26 Jahren.

© Imke Zimmermann, AP/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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