Österreich:Haiders verschwiegenes Doppelleben

Lesezeit: 3 min

In Österreich wird nun offen über heikle private Details des Verunglückten diskutiert, weil sie auch politische Folgen haben.

Michael Frank, Wien

Selten haben persönliche Umstände derart große politische Auswirkungen wie im Falle des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider. Schnell hatte es nach Haiders Unfalltod geheißen, das von ihm gegründete und geführte Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) solle nun von Stefan Petzner geleitet werden, dem bisherigen Generalsekretär der Partei.

Jörg Haider und zwei seiner jungen Mitarbeiter: Stefan Petzner (rechts) und Martin Strutz (links), beide vorübergehend gemeinsam BZÖ-Generalsekretäre. (Foto: Foto: dpa)

Doch der 27-Jährige ist umstritten in diesem Amt. Zum Verhängnis wird ihm offenbar seine übergroße Nähe zu Haider. Auch als Vorsitzender der neuen Nationalratsfraktion in Wien konnte er sich nicht durchsetzen. Man zog ihm den eher blassen Josef Bucher aus der Kärntner Parteiorganisation vor, die als einzige etwas Substanz in dem bislang nur auf Haider zugeschnittenen BZÖ hat. Petzner wurde erster von fünf Stellvertretern in der 21-köpfigen Fraktion.

Der Widerstand gegen Petzner hat mit der Abneigung vieler Parteimitglieder gegenüber der gleichsam dynastischen Nachfolge zu tun: Petzner war jahrelang so etwas wie Haiders Lebensgefährte. Daher auch die anhaltende Erschütterung Petzners nach Haiders Tod, den er als erster - andere machten es nach - seinen "Lebensmenschen" nannte. Dass dies bei dem jungen Mann der Wirklichkeit ziemlich nahe sein könnte, wollen viele im BZÖ indessen nicht unbedingt als Qualifikation nehmen.

Petzners Fassungslosigkeit erklärt sich auch daraus, dass ein Beziehungsdrama möglicherweise den Tod des österreichischen Rechtspopulisten mitverursacht hat. Auch wenn derlei sehr privat ist, verlangt doch Österreichs Öffentlichkeit immer energischer Aufklärung über den wirklichen Hergang des katastrophalen Unfalls. Demnach ist Haider von einer Festlichkeit fast nüchtern mit seinem Dienstwagen abgefahren.

Doch dann verunglückte er südlich von Klagenfurt im Ortsbereich nach Berechnungen der Polizei mit einer Geschwindigkeit von 184 Kilometern in der Stunde und 1,77 Promille Alkohol im Blut. Was er in den anderthalb Stunden dazwischen getan hat, das galt zunächst als ungeklärt. Inzwischen wurde bekannt, dass Haider ein Homosexuellenlokal in Klagenfurt aufsuchte. Dort soll er in Begleitung mehr als eine Flasche Wodka konsumiert haben.

Diese Tatsache hat offenbar zu Zerwürfnissen im unmittelbaren persönlichen Umfeld geführt. Haider hat jedenfalls, so ergibt sich aus Indiskretionen seiner Mobilfunkgesellschaft, während der fraglichen Fahrt telefoniert - dem Hörensagen nach mit Petzner. Er hat außerdem SMS empfangen und verschickt. Direkt danach bricht der Netzkontakt seines Mobiltelefons ab. Zwei Minuten später meldet eine Zeugin, sein zertrümmertes Fahrzeug vorgefunden zu haben.

Auf der nächsten Seite: Warum Haiders Privatleben nun öffentlich diskutiert wird.

Solche Details gehörten nicht an die Öffentlichkeit, sagen nun Haiders Familie und Anwälte. Österreichische Medien aber sehen sie als ursächlich für den Unfall und den überraschenden Tod eines Landeshauptmanns. Haider galt schon lange als bisexuell, ohne dass er je sich selbst geoutet hätte. Die scheinbare Idylle mit Ehefrau Claudia und den beiden heute erwachsenen Töchtern im Kärntner Bärental wurde offiziell aufrechterhalten. Haiders Witwe zur neuen Spitzenkandidatin in Kärnten zu machen, war offenbar einer der Versuche, die Aufklärung post mortem zu unterlaufen. Claudia Haider hat aber offenbar weder Sinn für politische Spielchen noch für falsche Mythenbildung.

So hat die Witwe eine weitere Obduktion beantragt, um Gerüchten die Grundlage zu entziehen. Verschwörungstheorien sagen, Haiders Wagen sei manipuliert worden, man habe ihm K.-o.-Tropfen verabreicht, er sei durch sogenannte Glückstropfen gefährlich euphorisch gewesen. Die Kärntner Behörden haben den eigenen Angaben nach keinerlei andere Rauschsubstanzen als Alkohol im Blut des Toten gefunden. Im Wagen selbst haben sich aber offenbar "Glückspillen" gefunden, ein frei verkäufliches Präparat, das stark stimmungsaufhellend wirkt. Möglicherweise war es auch private Anspannung, die Haider dem Vernehmen nach veranlasste, zwischenzeitlich psychologische Behandlung im Ausland in Anspruch zu nehmen.

Politisch gerierte sich die FPÖ, die Haider einst groß gemacht hat, lange strikt anti-homosexuell. Das wurde erst später modifiziert. Als endlich in der rechtsnationalen Koalition unter Wolfgang Schüssel der "Schutzalter-Paragraph" reformiert wurde, geschah dies auf Betreiben der Haider-Leute. Bis dahin waren sexuelle Kontakte mit Mädchen nur unter 14 Jahren, mit Jugendlichen und jungen Männern aber bis 18 Jahren strafbar. So konnte es kommen, dass bei einem Liebespaar, bei dem der eine 17 und der andere 19 Jahre alt war, der ältere eingesperrt wurde.

© SZ vom 29.10.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Jörg Haider
:Rechtspopulist ohne Hemmungen

Jörg Haiders Karriere war geprägt von Comebacks und populistischen Manövern. Erst vor wenigen Wochen kehrte er mit seiner Rechtsaußen-Partei BZÖ zurück auf die politische Bühne.

Jetzt entdecken

Gutscheine: