Nordsee:Seehunde verenden an Lungenentzündung

Lesezeit: 2 min

  • Grippeviren sind laut tierärztlichen Untersuchungen schuld am Tod von mehr als 300 Seehunden an der Nordsee.
  • Es droht kein Massensterben wie während der Staupe-Epidemien 1988 und 2002.
  • Veterinärin mahnt zur Vorsicht beim Umgang mit kranken Tieren.
Auf Sylt wurden täglich bis zu 16 tote Seehunde angeschwemmt. (Foto: dpa)

Influenzaviren schuld an Seehundsterben

Ein Großteil der Seehunde, die in den vergangenen Wochen tot an der Nordseeküste entdeckt wurden, ist an Lungenentzündung gestorben, hervorgerufen durch einen Grippevirus. Das haben tierärztliche Untersuchungen ergeben, die jetzt im schleswig-holsteinischen Tönning vorgestellt wurden. Für die erkrankten Tiere sei es ein qualvoller Tod gewesen, denn ihre Atemwege - Luftröhre und Bronchien - seien "zugeschleimt", sagte die Tierärztin Ursula Siebert. Bei den Untersuchungen durch die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover in Büsum seien neben Bakterien wie Streptokokken sowie Lungenwürmern und anderen Parasiten häufig auch Influenzaviren gefunden worden.

Mehr als 300 tote Seehunde

Bereits im Sommer waren vermehrt tote Seehunde in den dänischen und schwedischen Gewässern des Kattegats registriert worden. Seit Anfang Oktober wurden auch an der deutschen Nordsee immer wieder tote Meeressäuger entdeckt. Der Leiter der Nationalparkverwaltung Wattenmeer, Detlef Hansen, sagte, auf Helgoland und den nordfriesischen Inseln seien bislang etwa 350 tote beziehungsweise schwer kranke Seehunde gefunden worden. Auf Helgoland und Amrum waren es täglich jeweils fünf bis zehn tote Tiere, auf Sylt bis zu 16. Viele der Tiere waren mehrere Jahre alt und gut genährt. Ein Teil der erkrankten Tiere schleppte sich noch an den Strand. "Sie wurden dann vor Ort von einem der rund 40 Seehundjäger erlöst." Außer einem Husten seien bei ihnen keine äußeren Anzeichen einer Erkrankung festzustellen gewesen.

Vorsicht beim Umgang mit erkrankten Seehunden

Mit einer ähnlichen Anzahl toter Seehunde wie bei den beiden großen Ausbrüchen der Seehundstaupe rechnen Wissenschaftler aktuell nicht. 2002 verendeten an Nord- und Ostsee knapp 22 000 Tiere, 1988 waren es etwa 18 000. Diesmal sei es "keine Epidemie, sondern eine leicht erhöhte Sterblichkeit", gibt Veterinärin Siebert Entwarnung. Die Kegelrobben im Wattenmeer seien davon bislang nicht betroffen. Siebert rät zu besonderer Vorsicht beim Umgang mit erkrankten oder toten Seehunden. Sie können ebenso wie andere Wildtiere verschiedene Erreger beherbergen, die auch auf den Menschen übertragbar sind. "Spaziergänger sollten immer Abstand zu kranken und toten Seehunden oder anderen Wildtieren halten: Die Tiere nicht berühren und Hunde angeleint fernhalten."

Deutsch-dänische Seehundpopulation

Die im dänisch-deutsch-niederländischen Wattenmeer lebenden Seehunde bilden eine gemeinsame Population. Derzeit leben dort etwa 40 000 Seehunde, davon etwa 12 000 vor Schleswig-Holsteins Küste. Eine Impfung der Tiere beziehungsweise tierärztliche Behandlung sei schon angesichts der hohen Zahl unrealistisch, sagte Siebert. "Dies ist kein Zoo, sondern ein Nationalpark", ergänzte Nationalparkleiter Hansen: "Hier gilt das Prinzip 'Natur Natur sein lassen'. Natur, das sind aber nicht nur blühende Salzwiesen und riesige Vogelschwärme. Auch der Tod ist Teil der Natur", sagte Hansen.

© Süddeutsche.de/dpa/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Nordsee
:Tierschützer beklagen 150 tote Seehunde

Ungewöhnlich viele tote Seehunde werden zurzeit an den Küsten der Nordseeinseln gefunden. Experten befürchten ein Massensterben der Tiere.

Jetzt entdecken

Gutscheine: