Nazi-Gold in Deutschneudorf:Jäger des verlorenen Schatzes

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Der Bürgermeister von Deutschneudorf in Sachsen will mal wieder verstecktes Nazi-Gold gefunden haben. Experten beginnen jetzt mit den Grabungen.

Christiane Kohl

Die Herren von der Bergsicherung Schneeberg GmbH erwarten sich nicht allzu viel. "Man kann ja nicht in den Berg schauen", sagt Sven Mahnert in breitestem Erzgebirgsdialekt, "aber dass wir da oben was finden werden, glaub' ich nicht." Bislang seien jedenfalls bei allen Aktionen immer nur alte Knöpfe, Schlüssel und allenfalls mal eine Gasmaske zum Vorschein gekommen - vom erhofften Goldschatz keine Spur.

Heinz-Peter Haustein mal wieder auf der Suche nach einem Goldschatz der Nazis. (Archivbild) (Foto: Foto: ddp)

Trotzdem werden die Ingenieure der Firma an diesem Dienstag mit schwerem Gerät im sächsischen Ortsteil Deutschkatharinenberg anrücken, um dort vor blitzenden Kameras und Presseleuten aus aller Welt das Erdreich zu durchbohren. "Der Peter hat alle seine Aufträge immer pünktlich bezahlt", sagt Mahnert wie zur Entschuldigung für die spektakuläre Aktion.

Gemeint ist Heinz-Peter Haustein, der Bürgermeister von Deutschneudorf, jener Großgemeinde an der deutsch-tschechischen Grenze, zu dem der hoch oben zwischen Tannenwäldern gelegene Ortsteil Deutschkatharinenberg gehört. Seit beinahe zehn Jahren ist der umtriebige Kommunalpolitiker, der zugleich als FDP-Abgeordneter im Bundestag sitzt, nun auf der Suche nach geheimen Nazi-Schätzen.

Er ist fest davon überzeugt, dass in einem der zugeschütteten Gänge der alten Bergwerksschächte unterhalb der Erzgebirgsgemeinde etwas Wertvolles lagert - und die Herren der Bergsicherung ließen sich bislang gern mit technischen Ortungsarbeiten beauftragen. Zunächst fahndete man nach dem legendären Bernsteinzimmer, das Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. im 18. Jahrhundert dem russischen Zaren Peter dem Großen geschenkt hatte - die Nazis hatten es 1941 geraubt und nach Königsberg geschafft, doch 1944 verlor sich die Spur des reich geschmückten Prunkraumes.

In Deutschneudorf wollen Anwohner gegen Kriegsende beobachtet haben, wie NS-Leute Kisten in einen Stollen trugen. Darauf gründeten sich Spekulationen, das Bernsteinzimmer könne hier versteckt worden sein. Immer neue Suchaktionen wurden gestartet, aber außer einer alten Leuchtmunitionspistole fand sich nicht allzu viel. Und so war es zuletzt etwas stiller geworden um die 1200-Einwohner-Gemeinde, in welcher zu DDR-Zeiten vor allem Räuchermännchen und Weihnachts-Schwibbögen geschnitzt wurden. Bis Christian Hanisch auf den Plan trat.

Der Frührentner aus dem norddeutschen Dithmarschen will im Nachlass seines Vaters eine Kladde mit geographischen Koordinaten entdeckt haben - "die passen hundertprozentig auf die Gegebenheiten in unserem Ort", schwärmt Haustein. Die Kladde mit dem geheimnisvollen Titel "Unternehmen Orfe" hat bislang noch niemand gesehen. Hanisch will das Original, angeblich ein "Schulaufgabenheft von der Marine", auch nicht in der Öffentlichkeit zeigen: "Da könnte ich mir ja gleich die Hand abhacken, ich bin schließlich Schatzsucher", sagt der einstige Rettungsdienstler.

Stattdessen will Hanisch die Ortsbeschreibung, die aus "Längengrad, Breitengrad, Minuten und Sekunden" bestehen soll, in seinen Impfpass eingetragen haben. Aufgrund dieser Daten setzte Haustein die neuen Suchtrupps in Bewegung. Hanisch behauptet, sein Vater habe noch zu Kriegszeiten bei der Luftwaffe eine Funktrasse von Görings Landhaus Karinhall in der Schorfheide nach Deutschneudorf gelegt. Welcher Einheit der Vater angehörte, weiß der Sohn freilich nicht: "Danach hat mich noch niemand gefragt."

Vor Ort in Deutschneudorf hatten Techniker in den vergangenen Tagen mit elektronischen Ortungsgeräten, die nach Art eines Computertomographen arbeiten, nach Hohlräumen im Erdreich gesucht. Dabei, so berichtet Haustein, habe man "sichere Hinweise auf Edelmetalle" gefunden, womöglich gar auf wertvolle Gemälde - mithin der erhoffte Nazi-Schatz? Ortungsspezialist Andreas Kraus von der Firma OKM in Altenburg, mit deren Geräten die Schatzsucher ausgeschwärmt waren, dämpft die Erwartungen: "Das ist vermutlich ganz normales Eisenerz."

Auch von anderer Seite kommt Entwarnung. So bezweifelt der Münchner Bankkaufmann Karl-Bernd Esser, dass überhaupt noch irgendwo Nazi-Gold vergraben sein könnte. Esser hat 35 Aktenordner mit Archivunterlagen gesammelt, darunter alte Briefe aus dem Archiv der Bundesbank, Auflistungen der Amerikaner und internationalen Schriftverkehr. Demnach sei "alles Gold, das die Nazis versteckt haben, nach dem Krieg auch gefunden worden", berichtet Esser. Weitere Schätze gebe es nicht - "das hatte schon die Stasi zweifelsfrei geklärt".

© SZ vom 26.02.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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