Nach 49 Jahren Haft:Mörder Pommerenke stirbt hinter Gittern

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Er ist der am längsten Inhaftierte Deutschlands, seit 1959 lebte er ununterbrochen im Gefängnis. Jetzt ist Heinrich Pommerenke in seiner Zelle gestorben.

Schwerkrank war er zuletzt, alt und vereinsamt. Heinrich Pommerenke hat bis zu seinem Tod einen einsamen Rekord gehalten: Der Frauenmörder, der am Samstag im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg bei Ludwigsburg im Alter von 71 Jahren an den Folgen einer Blutkrankheit starb, saß seit fast fünf Jahrzehnten im Gefängnis - so lange wie kein anderer in Deutschland.

Justizskandal für die einen, Statuierung eines Exempels für die anderen: Frauenmörder Heinrich Pommerenke im Jahr 1960 im Schwurgerichtssaal in Freiburg. (Foto: Foto: dpa)

Aufseher fanden den 71-Jährigen am Samstag tot in seinem Bett. Sein Fall ist beispiellos in der deutschen Justizgeschichte - nicht nur, was die Brutalität seiner Verbrechen angeht. Erst vor vier Jahren stufte ein Gutachter den alten kranken Mann als ungeeignet für eine Entlassung ein, obwohl seine Strafe seit 2001 als verbüßt galt.

Wenig verwunderlich: In all den Jahrzehnten bekam Pommerenke nur wenige Stunden Therapie - das jahrelange Ringen seines Anwalts um weitere Angebote scheiterte an der Bürokratie.

Zuletzt galt Pommerenke als Exempel für die einen, die ihn für immer wegsperren wollten und als Justizskandal für die anderen, die Lockerungen forderten. Letztere argumentieren, die lange Strafhaft widerspreche dem Ziel eines humanen Strafvollzugs und der Humanität der Gesellschaft insgesamt.

"Vor Ihnen sitzt der Teufel"

Erst vor wenigen Wochen war er wegen einer schweren Blutkrankheit in die Klinik gebracht worden. Nun ist er dieser Krankheit erlegen. Seine Leiche soll am Dienstag obduziert werden.

1959 versetzt "die Bestie in Menschengestalt" die Region Schwarzwald in Angst und Schrecken: Vier Frauen ermordet Pommerenke auf brutale Weise. Er vergewaltigt, raubt, stiehlt, mal schlägt er in Karlsruhe zu, mal in Hornberg, in Singen, in Triberg oder Baden-Baden.

Als er gefasst wird, sagt Pommerenke der Polizei: "Vor Ihnen sitzt kein Mensch, sondern der Teufel." Er gesteht insgesamt 65 Straftaten. Später erklärt er, der Besuch des Kinofilms "Die zehn Gebote" sei Auslöser für seine Morde gewesen. Die Darstellung des Tanzes um das Goldene Kalb durch leicht bekleidete Frauen habe bei ihm zu der Erkenntnis geführt, dass Frauen die Ursache allen Übels seien.

1960 verhängt das Landgericht Freiburg sechsmal lebenslanges Zuchthaus und weitere 15 Jahre Haft. Die Todesstrafe war in Deutschland erst ein Jahrzehnt zuvor abgeschafft worden.

Lesen Sie auf Seite 2 über Pommerenkes Jugend

Pommerenke kommt aus ärmlichen Verhältnissen. In seiner Jugend schlug er sich zunächst bei Schaustellern durch, als Verkäufer in Bahnhofskiosken und als Schlafwagenkellner in Fernzügen. In Hornberg im Schwarzwald arbeitete er als Tellerwäscher und kickte auf dem Bolzplatz mit den Schäuble-Brüdern Wolfgang und Thomas. Ersterer sollte später Bundesinnenminister werden.

Bundesverfassungsgericht befasste sich mit Fall Pommerenke

Seit dem 19. Juni 1959 war er ununterbrochen eingesperrt. In den vergangenen Jahren kämpfte der zuckerkranke Häftling um eine Rückkehr in die Freiheit. Denn die meisten zu lebenslänglich Verurteilten haben nach 15 Jahren das erste Mal die Möglichkeit, um vorzeitige Entlassung zu bitten.

1995 befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall. Pommerenke litt damals an Nierenkrebs, die Ärzte gaben ihm maximal fünf Jahre. Das Gericht urteilte, es sei mit der Würde des Menschen unvereinbar, die Chance auf Freiheit auf einen "von Siechtum und Todesnähe gekennzeichneten Lebensrest zu reduzieren".

Bei dem Prozess 1960 hatte der Oberstaatsanwalt eine regelrechte Höllenstrafe beschworen: Hinter Pommerenke "werden sich neun Tore schließen, durch die er nie mehr herauskommen soll", sagt er voraus. Es sollte sich bewahrheiten.

Zwar galt seine Strafe seit 2001 als verbüßt, Sachverständige hielten aber noch 2004 eine Entlassung nicht für angezeigt. Es fand sich schlicht kein Gutachter, der bestätigen wollte, dass von Pommerenke keine Gefahr mehr ausgeht. Eine richtige Therapie hat Pommerenke über Jahrzehnte nicht bekommen. Er wurde einfach weggeschlossen.

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