Morsal-Prozess beginnt:23 Stiche für die "Ehre"

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Die Tat schockierte Deutschland: Rund sieben Monate nach dem Tod der damals erst 16 Jahre alten Deutsch-Afghanin Morsal O. beginnt in Hamburg der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder - ihren Bruder.

Ahmad O. missbilligte den Lebensstil seiner Schwester. Er schlug sie. Genau wie sein Vater. Und andere Familienmitglieder.

Tödlicher Drang nach Freiheit: Morsal O. mit ihrer Schwägerin auf einem undatierten Foto (Foto: Foto: ddp)

Am 15. Mai soll die Wut endgültig in tödlichen Hass umgeschlagen sein. Der 24-Jährige ist angeklagt, seine Schwester Morsal wegen angeblich unzüchtigen Lebenswandels mit 23 Messerstichen ermordet zu haben. Er soll sie in der Tatnacht zu einem Parkplatz bestellt haben und ohne Zögern zugestochen haben. Wieder und wieder. Er habe seine Schwester gezielt in einen Hinterhalt gelockt und heimtückisch erstochen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft vor Prozessbeginn. Die Anklage führt 33 Zeugen und drei Sachverständige auf.

Und der Prozess beginnt mit einem Streit:. Die Anwälte des Angeklagten lehnten den psychiatrischen Gutachter, den das Gericht bestellt hatte, als befangen ab. Der Mann habe "eine offensichtlich aggressive und feindselige Grundhaltung gegenüber dem Angeklagten", sagte ein Anwalt. Der Experte wies den Vorwurf zurück.

Im Vorfeld sprach der Anwalt von einer affektähnlichen Impuls-Tat seines Mandanten. Dieser sei einem weiteren Gutachten zufolge psychisch krank und vermindert steuerungsfähig. Das Verbrechen habe "nichts mit dem zu tun, was man landläufig unter dem Begriff Ehrenmord versteht".

Die Eltern hatten sich nach der Tat von Ahmad distanziert. Der Vater räumte in einem Gespräch mit dem NDR-Fernsehen ein, die Familie sei mit Morsals Lebensstil nicht einverstanden gewesen. Die Tat sei jedoch nicht von der Familie geplant gewesen.

Die Tat im Hamburger Stadtteil St. Georg hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt und eine Diskussion über die Integration von Einwanderern ausgelöst. Das Verfahren soll voraussichtlich bis Februar dauern.

In dem Mordprozess muss sich der Angeklagte auch wegen Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung verantworten, weil er Morsal schon 2006 und 2007 mehrmals zusammengeschlagen und mit dem Tod bedroht haben soll. Ahmad O., der als Geschäftsführer in einem Autohandel arbeitete, ist bei der Kripo als Intensivtäter registriert. 2001 fiel er erstmals wegen Diebstahls auf, es folgten mehrere Körperverletzungen.

Der Prozess wird ein Licht darauf werfen, wie isoliert das Mädchen in der Familie war: Über ihren Lebensstil soll es offenbar lange Streit gegeben haben. Auch andere Verwandte sollen die Jugendliche misshandelt haben. Erst wenige Tage vor der Tat soll der Vater sie verprügelt haben.

Sie war vor ihrem Tod mehrfach in Jugendschutzeinrichtungen geflohen, aber nach kurzer Zeit stets zur Familie zurückgekehrt. Das Mädchen hatte Opferschutzangebote abgelehnt und unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nicht ausgesagt.

Nach ihrem Tod waren Polizei, Schule und Behörden scharf kritisiert worden. Sie hätten nicht genug für ihren Schutz getan, hieß es. Morsals Familie war Medienberichten zufolge in den neunziger Jahren auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg in Afghanistan nach Hamburg gekommen.

© sueddeutsche.de/dpa/grc/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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