Mord nach Facebook-Kontakt:Verhängnisvolle "Abreibung"

Lesezeit: 2 min

Das Landgericht Aachen verurteilt ein Ehepaar zu lebenslanger Haft.

Von Bernd Dörries, Aachen

Zwei Nachrichten schrieb Christian L., 29, am 30. Juli 2015 auf Facebook. Um 9.46 Uhr fragte er eine angeblich 22-Jährige: "Wie geht es Dir". Und um 23.55 Uhr verschickte er ein "Guten Abend". Dafür musste er wahrscheinlich sterben.

Am Dienstag verurteilte das Landgericht Aachen seinen Mörder Karl-Heinz H., 39, und dessen Frau und Mittäterin Nadine, 31, zu lebenslanger Haft. Normalerweise fürchten sich junge Frauen davor, im Netz von Pädophilen angesprochen zu werden, haben Eltern Angst, dass ihre Kinder sich mit Fremden treffen. In diesem Fall war es umgekehrt, Christian L. musste sterben, weil das Ehepaar H. dachte, er sei ein Pädophiler, der es auf ihre Tochter abgesehen hatte. Nichts davon stimmte.

Chantal H. war erst zwölf Jahre alt und zu jung für einen Account auf Facebook, den ihr die Eltern trotzdem einrichteten, weil ja alle anderen auch einen hatten. Plötzlich war Chantal 22 Jahre alt und wurde von einem Nutzer namens "Binana" angeschrieben, der von ihr Nacktfotos wollte. Und auch bekam. Das Ehepaar H. ging daraufhin zur Polizei und stellte Strafanzeige, die Ermittlungen wurden im Sommer 2015 eingestellt.

Etwa zu dieser Zeit meldete sich Christian L. auf dem Profil von Chantal, stellte ihr zwei harmlose Fragen. Mehr nicht. Karl-Heinz H. aber steigerte sich in den Gedanken hinein, Christian L. sei erneut ein Pädophiler, obwohl es dafür keinerlei Belege gab. Er erzählte es seiner Frau und den Freunden, es entstand der Plan, Christian L. eine "Abreibung" zu erteilen, mehr sei nicht geplant gewesen, behauptet die Verteidigung. Das 29-jährige Opfer war lernbehindert und tat sich nicht leicht im Kontakt zu Frauen. Eine Freundin von Karl-Heinz H. versprach Christian L. zum Schein Sex, ein Treffen wurde arrangiert an einem Badesee zu später Stunde. H. nahm einen Schlagring mit, ein Messer und Würgedraht. Er stach L. in die Oberarme und in den Körper und ließ ihn dann liegen.

H. redet nicht vor Gericht, lässt nur seinen Anwalt sprechen, der im tiefsten rheinischen Dialekt davon erzählt, wie H. vor der Tat tagelang Speed nahm, viel Alkohol trank und sich in einen Wahn steigerte. Wie er eigentlich schon die ganzen Jahre davor immer trank und Menschen verletzte. Er schlug seiner Frau die Zahnprothese raus und prügelte auf seine Nichte ein. Trotzdem treten Teile der Verwandtschaft vor das Gericht und loben die Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit von "Onkel Heini" - der offenbar ganz nett war, wenn er eben nüchtern blieb. Das geschah aber nicht allzu oft in den vergangenen Jahren, zwischen 1992 und 2012 wurde Karl-Heinz H. 16 Mal straffällig. Von der Körperverletzung über Fahren ohne Führerschein bis zu einem Drogenhandel, in den auch seine Mutter involviert war. Zusammen saß man tagelang im Keller und soff, dazu das Speed. Es wurde getrunken und geprügelt. Und Richter gespielt über Christian L. Das Landgericht Aachen stellte bei Karl-Heinz H. deshalb auch eine besondere Schwere der Schuld fest.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: