Missbrauch eines Neunjährigen:Regierung prüft Behördenversagen

Der Lebensgefährte der Mutter hatte Kontaktverbot zu Kindern - warum stoppte ihn keiner?

Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) will die Rolle von Behörden und Justiz im Fall des jahrelang missbrauchten Neunjährigen im Raum Freiburg überprüfen lassen. "Soweit ich die Sachlage kenne, war es ja nicht so, dass die Behörden nicht auf die Missstände in der Familie hingewiesen hätten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Deshalb müssen wir nun auch mit den Kollegen der anderen Ministerien, also auch dem Justizministerium überprüfen, wo hier etwas schiefgelaufen ist." Jugendhilfe sei zwar eine sogenannte weisungsfreie Pflichtaufgabe der Kommunen. Dennoch müsse das Land jetzt genau hinschauen, wo es Nachbesserungsbedarf gebe. Das Kind war den Ermittlungen zufolge von seiner Mutter und deren Lebensgefährten im Internet gegen Geld für Vergewaltigungen vermittelt worden. Polizei, Justiz und Jugendamt wussten, dass der Lebensgefährte der Mutter ein vorbestrafter Sexualstraftäter war. Er durfte seit 2014 keinen Kontakt mit Kindern unter 18 Jahren haben, zog aber trotz gerichtlichen Verbots zu der Frau. Das Jugendamt hatte den Jungen nach Hinweisen der Polizei im vergangenen März aus der Familie genommen. Zwei Gerichte hatten diese Entscheidung aber nicht mitgetragen, der Junge kam zurück in die Familie.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, forderte Verbesserungen bei den Jugendämtern. "Jugendämter brauchen mehr Personal, müssen besser hineinschauen können in die Familien", sagte er im "Morgenmagazin" von ARD und ZDF. Zudem müssten Familienrichter entlastet und zum Thema sexuelle Gewalt fortgebildet werden, auch Lehrer bräuchten Basiswissen. "Ein Kind, das so einer katastrophalen Brutalität ausgesetzt ist, sendet Signale."

© SZ vom 16.01.2018 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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