Minenopfer als Fotomodelle:Sozialer Sprengstoff

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Ein norwegischer Künstler hat Minenopfer für einen Schönheitswettbewerb fotografieren lassen. Im Internet können Betrachter über ihre "Miss Landmine" abstimmen. Die Aktion ist umstritten.

Arne Perras

Der norwegische Künstler Morten Traavik hat ein ehrenwertes Ziel: Er will die Erinnerung wachhalten an eines der größten Greuel des Krieges: Minen. In Ländern wie Angola sind einst Millionen Sprengsätze im Boden vergraben worden, sie haben zehntausende Menschen getötet oder grausam verstümmelt.

"Jeder hat das Recht, schön zu sein": der norwegische Künstler Morten Traavik hat zehn angolanische Frauen fotografiert, die durch Landminen ein Bein verloren. (Foto: Foto: Miss Landmine)

Traavik hat deshalb ein "Kunstprojekt mit humanitärem Anspruch" ins Leben gerufen. Doch die Aktion des Norwegers ist heftig umstritten: Zehn angolanische Frauen, die durch Minen ein Bein verloren, hat Traavik für einen Schönheitswettbewerb fotografieren lassen. Die Betrachter im Internet können darüber abstimmen, wer das schönste Model von allen ist. Sie wird dann am Ende eine Beinprothese als Preis gewinnen.

Geschmacklos und voyeuristisch finden das die einen, einfallsreich und engagiert die anderen. Eine norwegische Zeitung nannte Traaviks Aktion ein "ethisches Minenfeld". Im Internet prangern Kritiker das Projekt als "Ausbeutung der Frau" an - auch deshalb, weil neben den Bildern die Hersteller und Preise der vorgeführten Kleider oder des getragenen Schmucks genannt seien.

Dadurch würden die Opfer des Krieges "kommerziell vermarktet". Andere Betrachter wiederum sind voller Lob und glauben, dass der Wettbewerb "Bewusstsein schafft" und "etwas bewegen kann", da gerade behinderte Frauen die größten Nachteile in einer Gesellschaft ertragen müssten.

Wer auf die Webseite klickt, bekommt zunächst einen blauen Vorhang zu sehen, der sich öffnet wie auf einer Bühne. Dann ist der Blick frei auf die zehn Kandidatinnen. Die Damen sitzen entweder auf luxuriösen Polstersesseln oder liegen am Pool. Eine steht auf eine Krücke gestützt am Strand, dahinter versinkt die tropische Sonne. "Jeder hat das Recht, schön zu sein", ist als Überschrift zu lesen.

Die Nutzer können auf der Seite ihre Stimme abgeben, und diejenige Frau, die in den nächsten Monaten am meisten Betrachter für sich gewinnt, soll am 4. April 2008 - dem UN-Tag der Minenopfer - zur "Miss Landmine" gekürt werden.

Alle Frauen hätten freiwillig mitgemacht, versichern die Organisatoren, die von der angolanischen Regierung und dem norwegischen Kulturrat gefördert werden. Die Webseite informiert auch über Alter und Beruf der Kandidatinnen, über die Zahl ihrer Kinder, wie die Frauen ihr Bein verloren haben und was ihr Traumjob ist.

Minen sind in Angola noch heute ein gewaltiges Problem, obgleich es seit dem Ende des 26-jährigen Krieges manche Anstrengung gegeben hat, die Sprengkörper zu räumen. Zehntausende haben Verstümmelungen erlitten, und etwa zwei Millionen Angolaner riskieren Tag für Tag, irgendwo auf ihren Feldern auf eine Mine zu treten.

© SZ vom 13.12.2007/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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