Milano Moda Donna:Kurz, kürzer, Mailand

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Mode. Frühling. Sommer. 2007: Die Damen müssen sich kurz anziehen.

Peter Bäldle

Miuccia Prada gibt Rätsel auf. Ratlose Gesichter verfolgen während der Mailänder Designerschauen für Frühjahr/Sommer 2007 deren neuen Glamour-Look im Hollywood-Stil der vierziger Jahre. Hat Brian De Palmas neuer Film "Die schwarze Dahlie", der 1947 spielt und derzeit die Medien beherrscht, die Designerin inspiriert?

Dabei sind es nicht die breit gepolsterten Schultern oder die mit schwarzen Gürteln betonten Taillen ihrer blutroten und violetten Satintuniken, die verblüffen. Es ist deren Länge, die nur zwei Finger breit unterhalb des Schritts endet und den Blick freigibt auf schwarze Slips und nackte Endlosbeine, die unsicher auf Plateausohlen und dolchspitzen Absätzen durch die Reihen der Zuschauer staksen. Hat La Prada die Röcke und Hosen vergessen? Denn knappe Rita-Hayworth-Shorts und steife Eislaufröckchen scheinen als Blickschutz zu kurz zu sein, wadenlange Rockfutterale und rückenoffene Operationskittelkleider wirken dagegen zu lang. Fremd sehen auch die Trümmerfrauen-Turbane aus, die den Look begleiten. Sie tragen ebenso wenig zur Lösung des Rätsels bei wie die riesigen Tramper-Rucksäcke, welche die Mädchen fallweise mit sich schleppen.

Wohin die Reise der Mode geht, ist an anderen Schauplätzen zu sehen. Consuelo Castiglioni mit ihrer Marni-Kollektion scheint nun endgültig die Designerin der Stunde zu sein, die ihrer Generation der Mittdreißiger die Mode erklärt. Mit welcher Schnittraffinesse sie dabei den neuen Weiten, dem zentralen Thema dieser Saison, zu Leibe rückt, ist staunenswert. Mit Hilfe von Abnähern, Nähten und gelegten Falten bändigt sie zeltweite Tuniken, denen sie wadenlange Leggings mit seitlichen Rennstreifen unterzieht. Kleider hält sie mit Gürteln in der Vorderfront auf Taille, belässt sie hinten käferrückenweit.

Und kastige Tops begleiten Röcke in Eiform. Souverän beherrscht die Designerin das Darüber und Darunter eines neuen Lagen-Looks, den sie sanft koloriert mit Rosenholz und Rehbraun, Silbergrau, Kitt und Graphit, nur zuweilen von Bananengelb oder Hummerrosa belebt.

Doch es ist nicht nur die Stunde der Frauen. Auf welch hohem Niveau Italiens Handwerkskunst noch immer agiert, stellen ausgerechnet zwei Männer unter Beweis, der Sizilianer Maurizio Pecoraro und Tomas Maier aus Pforzheim, der die Mode für das Taschenkultlabel Bottega Veneta entwirft. Deren geflochtene Oberflächen zitiert Maier mit dichten Kreuzstichen an Miedertaillen, während Steppstichstickereien schwingende Röcke standhaft erscheinen lassen. Pecoraro hingegen verziert unschuldige Hängerkleidchen mit Lamellen und Falten. Minikurze Kinderkleider in A-Linie, wie sie einst Modellegende Twiggy im Swinging London der sechziger Jahre trug, sind generell ein großes Thema in den Kollektionen, was die Rocksäume in erstaunliche Höhen schnellen lässt. Silbern glitzernd in steifen Stoffen oder flatternd in Chiffon sieht man sie bei Alberta Ferretti, in Kugelform drapiert sie Anna Molinari und bei Pollini bedruckt sie Rifat Ozbek, der Türke aus London, mit polynesischen Mustern. Am überzeugendsten jedoch präsentiert sie Christopher Bailay für Burberry. Er beruft sich auf den Society-Fotografen Cecil Beaton als Inspiration. Das Ergebnis sind Trapezmäntelchen aus Sofadeckenstoffen mit Tütenärmeln und Volantrücken und die Entdeckung von Staniolsilber für Schuhe.

Weiten der anderen Art, als "Oversized"-Silhouetten im Stil der achtziger Jahre, bringt bei Brioni die Spanierin Cristina Ortiz ins Spiel. Dabei zieht sie superweite Hemden über ovale Kokonröcke und zurrt den Tütenbund loser Hosen auf Hüfthöhe zusammen. Viel zu große Jacken begleiten sie.

Auf vielschichtige Weise haben sich mittlerweile die Achtziger in der Mode etabliert. Giorgio Armani findet mit deren Hilfe zu seinem ursprünglichen androgynen Look zurück mit Pyjamahosen in zarten Grau- und Beigetönen, zu denen er knapp taillierte Blazer aus weichen, seidig schimmernden Stoffen kombiniert. Große, um die Schultern drapierte Tücher setzen einen femininen Akzent. Domenico Dolce & Stefano Gabbana hingegen lassen sich für ihre junge D&G-Kollektion vom Edelpunk der früher Achtziger inspirieren. Röhrenhosen aus hochglänzendem Vinyl sind Basis, denen sie superweite Jerseytuniken, zebragestreift mit Toga-Drapés, entgegensetzen.

Leggings, unter knappe Lackröcke gezogen, leuchten signalrot oder kanariengelb auf, Pumps zeigen Stachelnieten aus Chrom. Beide Dekaden, die Sechziger mit den Achtzigern, zu verbinden, gelingt Frida Giannini für Gucci, als sie die schmalen, schwarzen Blousonanzüge der Vor-Beatles-Ära mit roten und pinkfarbenen Blenden verziert. Dazu wirken tropfenförmig sich bauschende Ärmel und aufgestickte ungarische Bauernblumen nur auf den ersten Blick befremdlich. Denn auf stoffreich schwingenden, weißen Hängerkleidchen mit Empiretaille entfalten sie einen ganz eigentümlichen Charme.

Die Designerin jedenfalls träumt so heftig von der Puszta, dass sie deren Folkloreornamente als grafische Rasterdesigns in Weiß auf schwarze Jeans druckt. Dazu erinnern strenge, skulpturhafte Abendkleider mit Blechdekor am geometrisch geschnittenen Dekolleté an Paco Rabanne, den Couture-Klempner der Swinging Sixties. Große bunte Paisleys auf weiten, wehenden Chiffonträumen lassen allerdings noch oft an Piroschka denken.

© SZ vom 29.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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