Michel Friedman: Neonazis als Leibwächter:"Ich wäre gern auf dem Laufenden gehalten worden"

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Michel Friedmann, einst Vizepräsident des Zentralrats der Juden, wurde von rechtsradikal gesinnten Polizisten geschützt. Die Behörden spielen den Fall herunter.

Christina Maria Berr und Bernd Oswald

"Wenn ich es geahnt hätte, wäre die Bombe sofort geplatzt", sagt Michel Friedman. Der ehemalige Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland ist entsetzt: Bei einigen seiner früheren Personenschützer ist eindeutig rechtsradikales Material gefunden worden. Pikant: Die Personenschützer sind allesamt Polizisten.

Nach den Ermittlungen des hessischen Landeskriminalamts hatte einer der Beamten einen 26 Jahre alten Kollegen in einer Uniformjacke mit SS- Runen fotografiert. Dieses Bild sei auch auf der Dienststelle herumgezeigt worden, nicht aber in einem weiteren Kreis, so dass kein Propaganda-Delikt vorliege. Eine selbst gebastelte Urkunde "im Namen des Führers" habe der 26-Jährige ebenfalls nicht weiter verbreitet.

Bei dem Fotografen wurden laut dem Frankfurter Oberstaatsanwalt Thomas Bechtel zudem sieben Musikstücke mit volksverhetzenden Texten gefunden, die über Internet-Suchprogramme vom Rechner des Mannes hätten heruntergeladen werden können. Er habe davon angeblich nichts gewusst.

Dies stelle eine geringe Schuld dar, so dass das Verfahren ohne Auflagen mit Zustimmung des Gerichts eingestellt worden sei. "Strafrechtlich sind das keine großen Sachen", meinte Oberstaatsanwalt Bechtel.

Noch offen ist hingegen der dritte Fall eines 1964 geborenen Polizisten, der das verbotene Horst-Wessel-Lied auf seinem Rechner gespeichert hatte.

Keiner der drei betroffenen Beamten ist noch im Personenschutz eingesetzt, "alle wurden unmittelbar ausgetauscht beziehungsweise suspendiert", sagte der Sprecher des Hessischen Innenministeriums, Michael Bußer.

Friedman selbst findet die Tatsache "entsetzlich, empörend und beängstigend". Bereits vor einem Jahr hatte die Polizei in Frankfurt den Juristen und TV-Moderator über eine Person aus seiner Schutztruppe informiert, die dann ausgetauscht worden sei. "Von der Dimension", so Friedman, habe er aber erst gestern beziehungsweise heute erfahren.

Die Polizei hat sich ihm gegenüber offenbar bedeckt gehalten. "Ich wäre gerne auf dem Laufenden gehalten worden", so Friedman.

Friedman sagt, er gehe davon aus, dass der Vorfall eine Ausnahme sei. Aber: "Eine Ausnahme ist eine zuviel." Die Mehrzahl der Polizisten die er kennengelernt habe, "sind absolut demokratische und loyale Beamte". Umso mehr aber solle man auf die schwarzen Schafe achten: "Wehret den Anfängen!"

Dass es auch in der Polizei Menschen mit rassistischen Vorurteilen gibt, überrasche ihn nicht. "Rassismus ist mitten in der Gesellschaft angekommen."

Michel Friedman ist eine polarisierende Persönlichkeit, an der sich die Geister scheiden. Er ist schon mehrfach bedroht worden. Sowohl sein Haus als auch seine Kanzlei in Frankfurt werden von der Polizei beobachtet. Auch auf Reisen wird er von einer Personenschutzgruppe begleitet.

Bereits im Sommer 2005 seien Ermittlungen gegen Beamte der Personenschutzgruppe des Polizeipräsidiums Frankfurt wegen Betruges und Untreue aufgenommen worden. Im Zuge dieser Ermittlungen wurden Sachverhalte bekannt, aufgrund derer gegen einen Beamten weitere Verfahren wegen Verrats von Dienstgeheimnissen und "Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" eingeleitet wurden.

Dieser Beamte ist vom Dienst suspendiert worden; das Verfahren wegen "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" wurde bereits im Oktober 2006 von der Staatsanwaltschaft Frankfurt eingestellt.

In gleichem Zusammenhang ermittelte die Polizei gegen zwei weitere Beamte, ebenfalls wegen "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen". Gegen beide Beamte wird dienstaufsichtsrechtlich ermittelt.

Friedman: Das muss alles rückhaltlos aufgeklärt werden

Eines dieser Strafverfahren habe die Staatsanwaltschaft Frankfurt jüngst ebenfalls eingestellt. "Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hat die Polizei unmittelbar gehandelt: alle notwendigen strafrechtlichen und dienstrechtlichen Maßnahmen eingeleitet, als auch die Personenschutzgruppe Frankfurt personell neu aufgestellt", so Bußer.

Die Bild-Zeitung berichtete, einer der beschuldigten Personenschützer, der mittlerweile vom Dienst suspendiert wurde, habe für den Fall einer Anklage mit Enthüllungen über "braune Umtriebe im Frankfurter Polizeipräsidium" gedroht.

Friedman selbst forderte von der hessischen Justiz und Polizei umfassende und rasche Aufklärung. "Das ist für mich erschütternd: Man muss sich vorstellen, dass diese Herren mich eigentlich vor Nazis beschützen sollten, deren Geisteshaltung sie selbst hatten", sagte er.

Der 51-Jährige bedauerte, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Von einem Kavaliersdelikt könne nicht die Rede sein. "Denn wenn wir zu Recht junge Menschen bestrafen, wenn sie sich für Hitler begeistern, dann muss dies für Polizeibeamte erst recht gelten."

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