Meistgesuchter NS-Verbrecher:KZ-Arzt Aribert Heim offenbar lange tot

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Die Suche nach dem "Schlächter von Mauthausen" scheint zu Ende: Aribert Heim soll vor Jahren in Kairo gestorben sein - unter dem Namen "Tarek Farid Hussein".

Der meistgesuchte NS-Verbrecher Aribert Heim ist nach Informationen des ZDF und der New York Times schon lange tot. Der frühere KZ-Arzt sei bereits am 10. August 1992 in Kairo an Krebs gestorben, ergaben gemeinsame Recherchen der beiden Medien. Aribert Heim, der auch als "Dr. Tod" bezeichnet wurde, war zuletzt in Südamerika vermutet worden. Heim hielt sich demnach nahezu 30 Jahre in der ägyptischen Hauptstadt vor den Ermittlern versteckt.

Der als "Schlächter von Mauthausen" berüchtigte Nazi-Verbrecher Aribert Heim ist offenbar seit vielen Jahren tot. (Foto: Foto:)

Hussein und Heim: Dieselbe Person

Heim galt als extrem grausam. Er arbeitete als Arzt in den Konzentrationslagern Sachsenhausen (1940), Buchenwald (1941) und Mauthausen (1941). Augenzeugen berichteten, er habe aus der gegerbten Haut eines Opfers einen Lampenschirm für den Lagerkommandanten herstellen lassen. Nach weiteren Aussagen führte Heim an betäubten Patienten medizinische Experimente durch, entnahm ihnen willkürlich Organe und tötete Hunderte Häftlinge durch Benzininjektionen ins Herz. Auf der Liste der meistgesuchten Nazi-Kriegsverbrecher des Simon-Wiesenthal-Zentrums, das bis heute nach NS-Verbrechern sucht und den Tod Heims bislang nicht bestätigte, steht er an erster Stelle.

Der 1914 geborene Österreicher praktizierte nach dem Krieg in Baden-Baden als Frauenarzt. Heim war 1945 von US-Soldaten verhaftet worden, zweieinhalb Jahre später wurde er jedoch wieder freigelassen - nach Angaben des Wiesenthal-Zentrums unter verdächtigen Umständen. Er war seit 1962 auf der Flucht. Gegen ihn besteht ein internationaler Haftbefehl.

Eine Aktentasche voller Beweise

Laut der Mitteilung des ZDF war Heim zu seiner Tarnung Anfang der 80er Jahre zum Islam konvertiert und trug seitdem den Namen Tarek Farid Hussein. Vorher habe er unter seinem zweiten Vornamen als Ferdinand Heim in Kairo gelebt. Das ZDF habe eine Aktentasche gefunden, die Heim bis zu seinem Tod in seinem Zimmer in einem Kairoer Hotel aufbewahrt habe. In der Tasche befanden sich mehr als 100 Dokumente. Darunter seien die Kopie eines ägyptischen Passes, Anträge auf Aufenthaltsgenehmigungen, Kontoauszüge, persönliche Briefe und medizinische Unterlagen gewesen. Danach lässt sich zweifelsfrei nachweisen, dass Hussein und der gesuchte Nazi-Verbrecher ein und dieselbe Person sind.

Bisher gingen das Simon-Wiesenthal-Zentrum sowie Zielfahnder des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg laut ZDF davon aus, dass der Nazi-Verbrecher noch am Leben ist und sich mutmaßlich in Südamerika versteckt halte. Allerdings habe es schon 1967 einen Hinweis gegeben, wonach Heim in Ägypten gearbeitet habe.

Ein Sprecher des Landeskriminalamtes sagte dem Sender: "Die Recherchen von New York Times und ZDF passen zu den jüngsten Erkenntnissen der Behörde. Die Informationen konnten jedoch noch nicht amtlich überprüft werden."

Mieteinnahmen aus Deutschland

Die Recherchen in Kairo werden laut ZDF von zahlreichen Zeugen gestützt. Unter anderem bestätigte auch Heims Sohn, dass Aribert Heim jahrelang in Kairo lebte und dort starb. "Ja, mein Vater hat in Kairo gelebt", wurde Rüdiger Heim zitiert. Er habe ihn Mitte der 70er Jahre erstmals in Kairo besucht und ihn später nach einer Krebsoperation Anfang 1990 über mehrere Monate gepflegt. Die Diagnose sei "nicht heilbar" gewesen. "Anschließend gab es dann eine Chemotherapie und eine Strahlentherapie." 1992 sei Aribert Heim gestorben. "Am Tag nach dem Ende der Olympiade, am 10. August frühmorgens, ist er eingeschlafen", sagte Rüdiger Heim, der in Baden-Baden lebt, dem ZDF.

Nach Angaben seines Sohnes reiste Heim nach der Ausstellung des Haftbefehles 1962 über Frankreich, Spanien und Marokko auf dem Landweg nach Ägypten. Das Geld für seinen Lebensunterhalt sei ihm von seiner Schwester in unregelmäßigen Abständen überwiesen worden, berichtete das ZDF. Sie stammten demnach aus den Einnahmen eines Mietshauses in Berlin, das Heim gehörte.

"Er hat das von sich gewiesen"

Im ZDF-Interview berichtete Rüdiger Heim laut Mitteilung detailliert über die Begegnungen mit seinem Vater zwischen 1975 und 1992. Dabei habe er ihn auf die Vorwürfe angesprochen, die ihm im Detail aber erst seit der Medienberichterstattung über das sogenannte Sühneverfahren gegen Aribert Heim im Jahr 1979 bekanntgeworden seien: "Dann habe ich ihm natürlich diese Frage gestellt, ob er diese Person ist. Und ich kann jetzt nur wiedergeben, was er mir gesagt hat - ich bin kein Staatsanwalt, ich bin kein Richter - er hat das von sich gewiesen."

Ahnungslose Bekannte

Ägyptische Freunde, Bekannte und auch der Arzt Heims wussten nach ZDF-Recherchen nichts von der Vergangenheit des KZ-Doktors. Übereinstimmend hätten sie aber die Umstände um die Krebserkrankung und den Tod Heims im Sommer 1992 bestätigt.

Demnach sollte der Leichnam nach dem Willen des Verstorbenen medizinischen Zwecken zur Verfügung gestellt werden. Da dies nach islamischem Recht verboten sei, sei Heim offenbar auf einem Armenfriedhof nahe der Kairoer Altstadt begraben. Die Grabstellen würden nach wenigen Jahren wieder freigegeben, so dass die Chance, sterbliche Überreste zu finden, gering sei.

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Das Simon-Wiesenthal-Zentrum äußerte sich zurückhaltend zu den Recherchen. Zwar sei es gut möglich, dass Heim vor 16 Jahren in Kairo gestorben sei, sagte der Direktor des Zentrums in Jerusalem, Efraim Zuroff. Doch die Dokumente müssten von Experten begutachtet werden. Wenn die Recherchen wahr seien, hätte die deutsche Polizei wichtige Hinweise auf Heims Helfer.

Zu Aussagen von Heims Sohn Rüdiger sagte Zuroff: "Entweder lügt er jetzt, oder er hat früher gelogen." Früher habe Rüdiger Heim ausgesagt, er wisse nicht, ob sein Vater lebe oder tot sei und dass er keinen direkten Kontakt habe. Zuroff wies darauf hin, dass die Leiche von Aribert Heim fehle. "Es gibt kein Grab, es gibt keine Leiche und keine DNA-Nachweise."

Arbeit als Arzt für die ägyptische Polizei?

Bis zu einem solchen Nachweis gilt der Verbleib von Heim als unklar. Deutschland, Österreich und das Wiesenthal-Zentrum hatten nach Heims Flucht in den 60er Jahren eine Belohnung von über 300.000 Euro für Hinweise ausgesetzt, die zu Heims Verhaftung führen.

Ein israelischer Offizier berichtete, der berüchtigte KZ-Arzt sei bereits im Jahr 1982 von einer geheimen US-Organisation exekutiert worden. Nach Angaben des Simon-Wiesenthal-Zentrums arbeitete Heim in Ägypten als Arzt für die Polizei. Die meiste Zeit wurde Heim jedoch in Argentinien und Chile vermutet, aber auch an Spaniens Ostküste soll der Kriegsverbrecher gesichtet worden sein.

Für einen Aufenthalt in Chile sprach unter anderem, dass seine Tochter im Süden des Landes lebt. Zwischen ihrem Wohnort und dem argentinischen Wintersportort Bariloche soll Heim nach Erkenntnissen des Simon-Wiesenthal-Zentrums vom vergangenen Jahr häufig unterwegs gewesen sein. Die Gegend Bariloche, etwa 1600 Kilometer südöstlich von Buenos Aires, galt nach dem Zweiten Weltkrieg als einer der Haupt-Zufluchtsorte für Nazis in Südamerika.

Eine Beschreibung des KZ-Arztes findet sich auf der Internetseite des für die Fahndung auf deutscher Seite zuständigen Landeskriminalamts Baden-Baden. Eine "kräftige, sportliche Gestalt", blau-graue oder dunkle Augen, und die Schuhgröße 47 habe Heim, heißt es dort. Und ein besonderes Merkmal: Über das Gesicht des früheren SS-Mannes verläuft laut Fahndungsaufruf eine Mensurnarbe in V-Form zum rechten Mundwinkel.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/AFP/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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