Madrid - Das Glück ist ein rätselhafter Geselle, und Juan Salazar hat ihn in seinem Leben nicht oft getroffen. Gut, als er einst in Barcelona am Bau von der Leiter fiel, da rettete ihm ein Haufen Sand immerhin das Leben. Aber meistens war ihm das Pech treu, manchmal in tragischer Form. Eine Tochter ertrank, eine andere starb an Leukämie. Geld hatte er nie. Nach seinem Unfall attestierten die Ärzte ihm obendrein Diabetes. Außerdem ertrug Salazar, genannt Juanito, Hänschen, das feuchte Klima Kataloniens nicht mehr, so zog er als Schuhputzer weiter nach Madrid. Dort ist ihm das Glück nun in riesenhaftem Ausmaß begegnet, aber richtig festhalten konnte er es nicht. Jedenfalls nicht für sich.
Höhepunkte im Winter
Señor Salazar poliert Stiefel in der viel besuchten Cafeteria Gregory in der Calle Velazquez, einer Hauptstraße im Salamanca-Viertel, einem großbürgerlichen Teil der spanischen Hauptstadt. Dazu verkauft er dort Lose für die nationale Lotterie, die ihren Höhepunkt jedes Jahr zu den Sonderziehungen am 22.Dezember und 6.Januar erreicht. Dann werden Preise verteilt wie nirgendwo anders auf der Welt und Menschen jedweder Herkunft mit einem Schlag steinreich. Früher, in Peseten, wurden mehrstellige Milliarden ausgeschüttet (und vorher natürlich noch mehr eingenommen, ganz Spanien spielt mit).
Jetzt, in Euro, sind es zweistellige Millionenbeträge, immer noch vorgesungen von Waisenkindern und live übertragen in allen Sendern. Der Hauptgewinn heißt El Gordo, der Dicke - 1977 hatte ihn Gregory bereits einmal empfangen, damals war der große Treffer von Juanitos Bruder an den Mann gebracht worden, purer Zufall. Juanito selbst besorgt seine Lose stets in der Lotteriestelle von Carabanchel, wo er wohnt. Und achtet darauf, dass die fünf Kennziffern mit der 9 enden.
Sagenhafte Geschichten zu Weihnachten
Zu Heilig-Drei-Könige, da kommt das Schicksal ins Spiel, wollte er Teilstücke mit der schönen Nummer 56079 anbieten, wie er der Zeitung El Mundo verriet. Jedes Mal nach dem großen Ereignis gibt es sagenhafte Geschichten, die Lotterien von Weihnachten (Loteria de navidad) und Heilig-Drei-Könige (Loteria del niño) sind voll davon. Versehentlich schob ihm sein Lotteriehändler stattdessen wiederholt Lose mit der Nummer 19459 über die Theke, was Salazar alias Juanito bald als Zeichen erkannte und 35 der insgesamt 40 Serien (jede besteht aus zehn Stück) erstand. Fünf davon gab er mangels Nachfrage zurück, den Rest wurde er im Gregory los und eins davon an seinen Enkel. Während der Ziehung stand er mit traurigem Gesicht am Grab seiner toten Kinder, so wird es jetzt erzählt. Dann sei der Enkel zum Friedhof gerannt und habe es hinausgeschrien: "Tito, Tito", das ist die Kurzform von Juanito, "du hast El Gordo verteilt."
Reiche gewinnen
Der Dicke, tatsächlich. "Diezynuevemilcuatrocientoscincuentaynueve", hatten die Waisenkinder gesungen, 19459, verkauft in Carabanchel, Madrid. Erlös 64 Millionen Euro, 48 Millionen davon stammen aus den Händen von Juan Salazar, 64 Jahre alt, Sohn einer Zigeunerfamilie aus der Estremadura. 48.000.000 Euro, 8.000.000.000 Peseten. Von einer Sekunde zur anderen wurden einige Gäste im Gregory dank ihm wohlhabend, sofern sie es nicht bereits waren, die meisten sind Banker, Anwälte, Unternehmer. Einer hat sein Vermögen um 3,2 Millionen Euro erweitert, ein anderer um 1,6 Millionen. Auch fünf Kellner des Lokals, die das bekannte Spritzgebäck "Churros"servieren, haben gewonnen. Und Juanito, der Hans im Glück?
Nichts. Naja, ein bisschen was schon, sein Enkel ist am großen Reibach ja auch beteiligt, er wird sich hoffentlich zu revanchieren wissen. Tags darauf saß Juan Salazar, der 48 Millionen Euro verteilt hat, seinen seligen Kunden wieder zu Füßen, wienerte das Leder, bis es glänzte. Und wartete auf Trinkgeld. Das könnte künftig ruhig üppiger ausfallen.