Literatur:Tod eines Zauberlehrlings

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,,Denn der Götter Ende dämmert nun auf.'' In diesem Jahr wird Harry Potters letztes Buch erscheinen.

Thomas Steinfeld

Das spektakulärste literarische Ereignis in diesem Jahr wird, so viel ist vorauszusehen, der siebte und letzte Band der Serie von ,,Harry Potter'' werden. Im Sommer wird es vermutlich soweit sein, und weil das so ist, wird die Spannung durch Hinweise und finstere Gerüchte verschärft. Joanne K. Rowling, die Autorin, nannte kurz vor Weihnachten als Titel ,,Harry Potter and the Deathly Hallows'' - was etwa ,,Harry Potter und die tödlichen Heiligen'' bedeutet. Und Daniel Radcliffe, der den Zauberlehrling in den Verfilmungen spielt, legte nach: ,,Ich hatte schon immer den Verdacht, dass Harry sterben muss'', erklärte er einer britischen Zeitung, ,,Voldemort kann nur sterben, wenn zugleich auch Harry stirbt.''

Dramaturgisch betrachtet, hat der junge Schauspieler völlig recht. Ein Held ohne Feind ist keiner mehr, und das letzte Mittel, die Größe und Reinheit seiner Motive zu beweisen, besteht darin, ihn den finalen Kampf zugleich gewinnen und verlieren zu lassen. Deswegen muss auch Frodo Beutlin, der Held in J. R. R. Tolkiens ,,Herrn der Ringe'', am Ende der Geschichte seine Heimat verlassen und auf die andere Seite des Meeres ziehen, während die Welt nun von den Menschen beherrscht wird.

Den Anhängern von Harry Potter ist ein solches Ende gar nicht recht. Sie führen sich auf, als wäre die Verwechslung eines Romans mit der Wirklichkeit nicht spätestens seit Don Quijote eine auch komische Angelegenheit, und bangen um die Unversehrtheit ihres Idols. Aber es geht nicht anders. Eine der größten Tragödien seines Lebens, erklärte Oscar Wilde, sei der Tod von Lucien de Rubempré gewesen, einem der Protagonisten in Honoré de Balzacs ,,Menschlicher Komödie''. Der Leser will seinen Romanhelden lebend, denn dessen Unsterblichkeit ist auch die Unendlichkeit der Lektüre. Das gilt insbesondere für Serienhelden, deren fiktives Dasein sich, Folge nach Folge, mit dem Leben ihrer Leser ja auch praktisch verschlungen hat.

Dass Harry Potter am Ende seines letzten Kampfes nicht mehr derselbe sein kann, der er vorher war, liegt allerdings nicht nur an der Dramaturgie, sondern auch an der Natur der von ihm zu bestehenden Auseinandersetzung. Denn im Zentrum der Harry Potter gewidmeten Romane findet sich ein Rassen- und Klassenkonflikt. Auf der einen Seite stehen die Zauberer, wahre, mächtige Aristokraten mit intakten, sich über die Jahrhunderte erstreckenden Stammbäumen. Draco Malfoy, der ärgste Widersacher Harry Potters an der Zauberschule, tritt als Propagandist ihrer rassischen Reinheit und ihres Herrschaftsanspruchs auf. Harry Potter hingegen sympathisiert sehr mit den ,,Muggels'', den Menschen und ihren schlichten Lebensformen, für die ein standesbewusster Zauberer nur Verachtung übrig hat. Ihm selbst, dem Sohn einer Mischlingsfrau und also ein ,,mudblood'', ein ,,Schlammblütler'', kommt im Konflikt der Rassen und Klassen die Aufgabe der Vermittlung zu: Er ist ,,the chosen one'', der Erwählte, der zu den Menschen herabgestiegene Zauberer.

In Lord Voldemort, dem großen Bösen, tritt ihm im Endkampf ein Feind entgegen, der ebenfalls ein Bastard ist - Sohn eines ,,Muggels'' und einer Hexe, der das Menschliche in sich selbst mit äußerster Härte bekämpft. Wer von den Lesern tapfer genug ist, sich auf den Ausgang der Schlacht vorzubereiten, könnte bei den Vorbildern nachlesen: ,,Denn der Götter Ende dämmert nun auf.'' (Richard Wagner: Götterdämmerung, Schlussgesang der Brünnhilde).

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