Liedgut:Geschenk für alle

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Die Schwestern Patty und Mildred Hill haben 1893 das Lied "Happy Birthday to You" komponiert. Ein Konzern verdiente zuletzt ganz gut damit.

Von Sebastian Herrmann

Von Kindergartenkindern lernen heißt kriegen lernen. Ja, die süßen Kleinen verfügen über ausgefeilte Strategien, jene Dinge zu bekommen, die ihr Begehren geweckt haben. Das geht zum Beispiel so: Das Kind erklärt mit gönnerhafter Stimme ein Spielzeug zum Allgemeingut. "Gell, uns gehört alles zusammen", sagt das eine Kind dann zum anderen und verschweigt, dass sein Handelspartner im Besitz des wertvolleren Gutes ist. So ungefähr, nur etwas komplizierter, verhält es sich auch im Falle des Klassikers "Happy Birthday to You", das mal ein Kindergartenlied zur Begrüßung der anwesenden Mädchen und Jungen war. Grob vereinfacht gab es da stets die kindliche Fraktion, die sagte: Das Lied gehört uns allen, es ist Allgemeingut. Ihr entgegen stand die gewissermaßen erwachsene Opposition in Gestalt des Konzerns Warner/Chappell Music, der sagte: Die Rechte an dem Lied gehören uns, wir haben sie für viel Geld gekauft, und jeder, der den Song öffentlich zur Aufführung bringt, der muss dafür bezahlen.

Diese Ansichten haben bereits zu vielerlei juristischer Streiterei geführt, die nun mutmaßlich beendet und zu Gunsten der kindlichen Sicht der Dinge entschieden wurde. Ein Richter in Los Angeles hat eine Einigung gebilligt, in welcher Warner/Chapell Music künftig auf seine Urheberrechte an dem Lied "Happy Birthday to You" verzichtet. Das Lied kann ab sofort also öffentlich zur Aufführung gebracht werden, ohne dass anschließend jemand eine Rechnung schickt. "Das ist ein Riesensieg für die Öffentlichkeit und für Künstler, die 'Happy Birthday' in ihren Videos und ihrer Musik verwenden wollen", erklärte Klägeranwalt Daniel Schacht.

Die Kläger hatten das Verfahren 2013 angestrengt, nachdem der Musikkonzern den Machern eines Dokumentarfilms 1500 US-Dollar für die Verwendung des Lieds in Rechnung gestellt hatte. Auch früher schon hatte Warner/Chappell Music immer wieder Rechnungen verschickt, wenn "Happy Birthday" öffentlich genutzt wurde. Die Kläger argumentierten, das Lied sei Allgemeingut und gehöre der Öffentlichkeit. Der Richter in Los Angeles hatte diese Auffassung vergangenes Jahr unterstützt; die nun gebilligte Einigung sieht vor, dass der Konzern seinen Urheberanspruch aufgibt und ausstehende Lizenzgebühren nicht mehr eintreibt.

Komponiert wurde der Geburtstagsklassiker 1893 von den beiden Schwestern Mildred und Patty Hill, die im US-Bundesstaat Kentucky lebten und dort im "Louisville Experimental Kindergarten" arbeiteten. Mildred schrieb die Melodie, Patty den Text "Good Morning to All". Ursprünglich diente das Lied wohl als Element des morgendlichen Begrüßungsrituals im Kindergarten. Erst 1924 veröffentlichte der US-Baptist Robert Coleman dann in seiner Liedersammlung "Harvest Hymns" eine zweite Strophe des Songs mit den heute weltweit gesungenen Zeilen "Happy Birthday to You", die aber mutmaßlich schon Jahre früher erstmals gesungen wurde.

Ende der 1980er-Jahre erwarb Warner/Chapell Music die Rechte an dem Lied und nahm damit mutmaßlich 1,8 Millionen Euro Lizenzgebühren jährlich ein. Angeblich forderte die Firma bis zu 10 000 US-Dollar, wenn in einem Film das Stück gespielt wurde. In auffällig vielen Produktionen werde bei Geburtstagen daher "For He's a Jolly Good Fellow" gesungen, heißt es - das Stück gehört schon länger der Allgemeinheit.

© SZ vom 29.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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