Liebesgeschichte, Folge 4:Das Leben als Drehbuch

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Happy End mit Bergblick: Inge Oberländer und Bobby Schneider. (Foto: privat)

Inge Oberländer & Bobby Schneider aus München: Wie das Schicksal einen quälen und zugleich dann doch glücklich machen kann. Teil vier der SZ-Reihe.

Von Michael Neudecker

Neulich haben sie ihr Haus an ein Fernsehteam vermietet, das war interessant, sagt Inge Oberländer, "die haben ja gleich das ganze Haus besetzt". Ein paar Tage lang wurde die Sat-1-Vorabendserie "Mein dunkles Geheimnis" gedreht, in der es laut Beschreibung des Senders um "spannende und skurrile Geschichten" geht, über "verbotene Liebesaffären, heimliche Doppelleben" und solche Sachen. Inge Oberländer und ihr Lebensgefährte Bobby Schneider schauen sich die Serie nicht an, Seifenoper interessiert sie nicht, wieso sollte es auch? Sie haben ihre eigene Seifenoper erlebt, mit allem, was dazu gehört.

Sie würden das selbst nie so sagen; wenn sie ihre Geschichte erzählen, klingt das nicht nach Entertainment und Sensation. Aber dennoch: Die Geschichte von Inge Oberländer aus Wiesbaden und Bobby Schneider aus München ist ein Beweis für die Plattitüde, nach der das Leben die besten Drehbücher schreibt.

Es beginnt damit, dass Inge Oberländer und ihr damaliger Ehemann befreundet sind mit Bobby Schneider und seiner damaligen Ehefrau. Vor allem die beiden Frauen sind eng miteinander, man wohnt in der Nähe von München, trifft sich regelmäßig, fährt gemeinsam in den Urlaub, mehr als zehn Jahre lang, meist nach Italien, die Kinder spielen am Strand. Bis Inge Oberländer eines Tages ihren Mann mit der Frau von Bobby Schneider erwischt. In flagranti.

Nach drei Jahren "Kampf um den Erhalt der Familie", wie sie das nennt, reicht Inge Oberländer die Scheidung von ihrem Mann ein, Hässliches spielt sich ab, Inge Oberländer zieht mit zweien ihrer vier Kinder in das Haus ihres Anwaltes in Hechendorf, und sie braucht zeitweise Sozialhilfe, um sich und die Kinder über Wasser zu halten. Es ist 1989, Inge Oberländer ist 40 Jahre alt. Bobby Schneider verzeiht seiner Frau dagegen, wenn auch nach "viel Diskutiererei", wie er sagt. Die Schneiders haben zwei Söhne, einer der beiden Söhne stirbt 1995 bei einem Unfall auf der Autobahn.

Der Kontakt zwischen den beiden Familien ist nach dem Vorfall abgeschnitten, die beiden früher so gut befreundeten Frauen wollen nichts mehr miteinander zu tun haben. Ein paar Jahre später treffen sie sich noch mal zufällig, sie versuchen zu reden, aber das misslingt. Die Wunde ist zu tief.

2009 erkrankt die Frau von Bobby Schneider an Krebs. Der Krebs wird spät entdeckt, zu spät. Sie stirbt 2012, in dem Jahr, in dem Inge Oberländer erfährt, dass auch sie erkrankt ist: Brustkrebs. Bei ihr wird der Krebs zum Glück früher entdeckt, dennoch braucht sie eine Chemotherapie, die Haare fallen ihr aus, und dann, am 15. Juni, während sie gerade in der Klinik sitzt zur dritten Chemotherapie, klingelt ihr Handy. Während einer Chemotherapie bekommt die Patientin eine Infusion, manche hören Musik, manche lesen, und Inge Oberländer hatte eben ihr Handy dabei, weil sie ein paar Tage zuvor ein Inserat wegen ihrer Hasen aufgegeben hatte und ständig Leute anriefen. Jetzt ist er der Anrufer: Bobby Schneider. "Reiner Zufall", sagt er, Freunde haben ihm das mit Inge erzählt, und er will nun einfach wissen, wie es ihr geht. Die beiden haben sich gut 15 Jahre nicht gehört und nicht gesehen.

Noch am selben Abend treffen sie sich am Ammersee, sie trägt eine Perücke, was ihm nicht auffällt, und als sie am Parkplatz stehen, fragt sie ihn: "Willst du mich nicht mal umarmen?" Seitdem sind sie ein Paar. Sie treffen sich nahezu täglich, auch wenn jeder in seinem Haus wohnen bleibt. Die (längst erwachsenen) Kinder? "Haben sich riesig gefreut", sagt Inge Oberländer.

Und jetzt sitzen die beiden am Küchentisch seines Hauses in der Nähe von München, er ist 74, sie 67, beide sind sie pensioniert; sie hat zuletzt als Lokalredakteurin gearbeitet, er in der Datenverarbeitung. Er schaut sie an, sagt: "Wir machen uns noch ein schönes Leben, gell?" Sie nickt. Und kichert.

Schreiben Sie uns! Jedes Paar hat seine Geschichte, ob verheiratet oder nicht, ob jung oder alt, ob hetero- oder homosexuell. In dieser Reihe erzählt das SZ-Panorama die Liebesgeschichten seiner Leser. Schreiben Sie uns eine E-Mail an liebesgeschichte@sz.de, oder per Post an Süddeutsche Zeitung, Panorama, Hultschiner Straße 8, 81677 München. Wir sind gespannt.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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