Leihmutterschaft:Ganz der Vater

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Ein deutsches Schwulen-Paar bekommt ein Kind von einer indischen Leihmutter - und muss darum kämpfen, dass der Kleine Deutscher sein darf.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Was wird aus einem Kind, das nach deutschem Recht gar nicht hätte geboren werden sollen? Regelmäßig bringt das Verbot der Leihmutterschaft deutsche Richter in Schwierigkeiten - so klar es auf den ersten Blick auch zu sein scheint. In Deutschland ist es nicht erlaubt, Kinder von Leihmüttern austragen zu lassen, anderswo dagegen ist es zulässig. Wenn aber Deutsche sich im Ausland ihren Kinderwunsch über eine Leihmutter erfüllen, stehen deutsche Gerichte vor der rechtlich wie emotional heiklen Frage, wie diese Kinder zu behandeln sind.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte nun über den Fall eines inzwischen sechsjährigen Jungen zu entscheiden. Der biologische Vater - ein Deutscher, der mit seinem Lebenspartner in Israel lebt - hatte in Indien mit einer verheirateten Frau eine Leihmutterschaft vereinbart, der Junge wurde in Mumbai geboren. Ein paar Monate nach der Geburt beantragte der Mann von Israel aus bei den deutschen Behörden die deutsche Staatsangehörigkeit für den Jungen. Und landete damit mitten in der Widersprüchlichkeit des deutschen Elternrechts.

Denn eindeutig war zunächst nur der Ausgangspunkt: Ein Kind erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil Deutscher ist. Ob aber der Wunschvater, mit dessen Samen das Kind gezeugt worden war, auch rechtlich als Vater zu gelten hatte, ist weitaus komplizierter zu beantworten. Zwei Hindernisse hatte der Mann auf dem Weg zur Vaterschaft zu überwinden. Erstens das israelische Recht: Das Familiengericht von Tel Aviv war zunächst skeptisch, was dieses indische Leihmutterverhältnis angeht. 2015 anerkannte es dann aber doch die Vaterschaft des Mannes. Damit waren die Voraussetzungen für den Import des Elternstatus nach Deutschland geschaffen, entsprechend einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs, der 2014 zwei schwule Väter eines Leihmutterkindes als rechtliche Eltern akzeptiert hatte.

Allerdings war da noch ein zweites Problem. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch gilt als Mutter, wer das Kind geboren hat - und als Vater ihr Ehemann. Eine Vorschrift also, die quer zur Welt des Leihmutterwesens steht: Die indische Leihmutter und ihr Ehemann wollten nun gerade nicht Eltern des Kindes werden. Und dem Mann, der Vater werden will, bliebe nach dieser Regel die Vaterschaft versagt.

Am Ende entschied sich das OVG gleichwohl dafür, das israelische Urteil anzuerkennen - womit der Mann den Status als Vater und der Sohn den deutschen Pass erhält. In der mündlichen Urteilsbegründung hat das Gericht aber deutlich gemacht, dass solche Entscheidungen mit wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätzen vereinbar sein müssen; Juristen sprechen hier vom "ordre public". In diesem Fall würdigten die Richter, dass der Leihmuttervertrag zu fairen Bedingungen abgeschlossen worden sei. "Da wurde kein Druck ausgeübt oder die Lage der Menschen in Indien ausgenutzt", gab das Gericht laut dpa bei der Urteilsverkündung zu Protokoll. Außerdem lebe das Kind in einem intakten sozialen Umfeld.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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