Krisenbewältigung in den USA:Yes, we care!

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Eine arme Frau bittet den US-Präsidenten vor laufenden Kameras um Hilfe - und schon hat sie ein Haus, eine eigene Website und einen Job für ihren Sohn. Eine sehr amerikanische Geschichte.

Carsten Matthäus

Nur ein paar Meter entfernt stand ihr Retter, für den sie auch betet. Barack Obama, der neue Präsident der USA, hat wohl vor seinem Auftritt in Fort Myers, Florida, einen Hinweis bekommen auf die 61-jährige farbige Frau, die in der ersten Reihe postiert ist.

Der große Moment ist gekommen: Henrietta Hughes wendet sich mit glänzenden Augen an Barack Obama. (Foto: Foto: AFP)

"Jetzt aber die junge Frau, die so geduldig wartet und mir ein schlechtes Gewissen macht", sagt er. Sie gesteht ihm ihre Zuneigung, sagt, sie bete für ihn - ein echter Fan, die Stimme tränenerstickt. Obama unterbricht sie professionell dankbar, fragt nach ihrem Namen, ihrem Problem.

Sie habe kein Haus, sagt Henrietta Huges dann unter Aufbietung all ihrer Haltung, sie schlafe mit ihrem arbeitslosen Sohn in einem kleinen Auto und sie brauche dringend eine "eigene Küche und ein Bad": "Bitte helfen Sie."

Obama hilft natürlich. Mehrere Fernsehsender sind live dabei. Der Präsident küsst Henrietta auf die Wange und verspricht ihr, das sich einer von seinen Leuten um ihr Problem kümmern wird. Das ist schon gar nicht mehr nötig, denn Henrietta Hughes ist mit ihrem Auftritt zum "Gesicht der Krise" geworden.

Sozialhilfe auf amerikanisch

Kurze Zeit später bekommt sie das Angebot, übergangsweise und mietfrei in die Zweitwohnung eines republikanischen Abgeordneten zu ziehen. Ein örtliches Möbelunternehmen will beim Ausstatten der Wohnung helfen. Sohn Corey, 34, kann sich gleich zwischen mehreren Jobangeboten entscheiden. Auf der eigens für sie eingerichteten Website HenriettaHughes.com wird das Video präsentiert und um weitere Spenden gebeten.

Die anrührende Geschichte aus Florida offenbart zweierlei. Einerseits setzt Barack Obama damit seinen Siegeszug unter dem Motto "Yes, we can" auch nach dem Amtsantritt fort und sorgt mit solchen Aktionen für Wellen der Begeisterung und der Hilfsbereitschaft. Andererseits wird bei solchen Szenen die krasse Schieflage des amerikanischen Sozialsystems erkennbar.

So hat Henrietta Huges selbst darauf hingewiesen, dass die Wartezeit auf eine Sozialwohnung in Florida derzeit bei zwei Jahren liegt. Nach Schätzungen amerikanischer Nichtregierungsorganisationen könnte die Zahl der Obdachlosen in den USA aufgrund der Finanzkrise nochmals um 1,5 Millionen ansteigen. Eine umfassende Lösung für dieses Problem muss die Regierung Obama noch präsentieren.

Der Popularität des Präsidenten hat die Szene mit Henrietta Hughes jedoch keinen Abbruch getan. Schon vor dem Treffen in Fort Myers campierten laut CNN Hunderte bereits in der Nacht zuvor vor dem Eingang, um ein Ticket zu bekommen. Der Andrang dürfte bei künftigen Auftritten noch größer werden. So steht beispielsweise über einem Nachrichtenblog der Zeitschrift Time folgende Überschrift: "Neues Rettungspaket: Geh einfach zu einem Auftritt von Obama!"

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