Kontroverse im Fall Klatten:Öffentliche Anklageschrift

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Massive Vorverurteilung seines Mandanten: Der Anwalt des mutmaßlichen Klatten-Erpressers greift das Vorgehen der Münchner Justiz scharf an.

Bernd Kastner

Vielleicht ist es nur das übliche Vorgeplänkel vor einem spektakulären Prozess. Vielleicht ist es aber auch der Auftakt zu einer kämpferischen Verteidigung in einer für vier reiche Frauen äußerst peinlichen Angelegenheit.

Susanne Klatten: Alle Details der Erpressung der Quandt-Erbin sind durch die Medien gegangen. Der Anwalt des mutmaßlichen Erpressers argumentiert: Gerade deshalb müsse sich das Gericht zurückhalten. (Foto: Foto: dpa)

Egon Geis, Anwalt des als Gigolo bekannt gewordenen Helg Sgarbi, kritisiert massiv die Münchner Justiz. Die für das Landgericht München I zuständige Pressestelle hatte Mitte Januar die zwölfseitige Anklage gegen Sgarbi an die Medien verschickt.

Darin wird dem 44-jährigen Schweizer vorgeworfen, vier wohlhabende Frauen, darunter die BMW-Großaktionärin Susanne Klatten, zunächst verführt und dann erpresst zu haben. "So etwas habe ich noch nie erlebt", empört sich Geis. Damit gehe die Vorverurteilung seines Mandanten weiter.

Nun könnte man argumentieren, dass es in diesem Fall schon egal ist, wenn auch das Gericht die Anklage veröffentlicht, schließlich stand schon jedes Detail über die mutmaßlich kriminellen Machenschaften des Gigolo in den Zeitungen. Via Italien waren seit Ende Oktober die Tricks des mutmaßlichen Täters und Peinlichkeiten für die Opfer bekannt geworden.

Aber Geis sieht das umgekehrt: Gerade deshalb hätte sich das Gericht zurückhalten müssen. "Statt dessen gibt sie noch eins oben drauf." Offiziell öffentlich wird die Anklage erst durch die Verlesung in der Hauptverhandlung.

Der Frankfurter Anwalt, 77 Jahre alt und in den 60er und 70er Jahren bekannt geworden vor allem durch Judenmordprozesse, deutet an, dass das Agieren der Justiz Auswirkungen auf den Prozess haben könnte. Die Schöffen etwa sieht er durch die Vorveröffentlichung beeinflusst. Nun überlege sich die Verteidigung, ob dies nicht für einen Befangenheitsantrag gegen die Schöffen reiche: "Das wäre handwerklich keineswegs abwegig." Das sagt jener Anwalt, der sich in jungen Jahren durch zahlreiche Befangenheitsanträge einen Namen machte.

Gerichtssprecherin Margarete Nötzel weist die Geis'sche Attacke zurück: "Die Presse hat ein Recht, informiert zu werden." Das Gericht sei verpflichtet, vor einem Prozess, der ein solches Interesse hervorrufe, rechtzeitig und umfassend zu informieren, dies geschehe auch nicht nur in München. Es sei dann Aufgabe der Medien, verantwortungsvoll damit umzugehen. Außerdem versende sie nicht die komplette, umfangreiche Anklageschrift mit allen Ermittlungsergebnissen, sondern nur den Anklagesatz mit der Zusammenfassung.

© SZ vom 02.02.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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