"Körperwelten"-Macher von Hagens:Polen empört über geplante Leichenfabrik

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Gunther von Hagens stößt mit seinen Plänen für ein Präparationswerk in Polen auf Kritik - vor allem, weil sein Vater, ein ehemaliger SS-Mann, das Vorhaben leiten soll.

Von Thomas Urban

Zuviel Reklame und Öffentlichkeit sind nicht gut für sein Geschäft. Das muss Gunther von Hagens nun auch in Polen erfahren.

Leichenpräparator Gunther von Hagens mit Ausstellungsstück. (Foto: Foto: AP)

Vor einer Woche berichteten polnische Medien, dass der Heidelberger Leichenpräparator, dessen Schau "Körperwelten" international Schlagzeilen gemacht hat, im westpolnischen Sienawa einen Betrieb aufbauen will.

Dieser solle Nachschub für seine Wanderausstellung liefern, in der Leichen, teilweise gehäutet, teilweise mit blank gelegten Knochen und Nerven, in Alltagssituationen gezeigt werden - etwa beim Schachspielen oder Reiten.

Sturm der Entrüstung

Von Hagens unterhält bereits einen Präparierbetrieb in China. Zu den Toten sollen allerdings hingerichtete chinesische Kriminelle gehört haben, deren Leichen er angeblich von den Behörden gekauft hat.

Doch nicht nur allein um den eigenwilligen Umgang mit Toten geht es nun bei dem Skandal von Sienawa, sondern auch um die SS, den Totenkopforden, der im Zweiten Weltkrieg im besetzten Polen gewütet hat, ein Reizthema ersten Grades auch heute noch.

Der erste Bericht über den geplanten Leichenkonservierungsbetrieb in der Tageszeitung Rzeczpospolita löste im ganzen Land einen Sturm der Entrüstung aus. Publizisten, Politiker und vor allem Geistliche geißeln seitdem in scharfen Tönen das "menschenunwürdige Vorhaben".

In einer Erklärung der katholischen Kirche heißt es, es sei eine Sünde, Tote in sensationsheischender Form und zu kommerziellen Zwecken auszustellen. Das Argument des Präparators, sein Geschäftsgebaren sei durch den Korintherbrief des Apostels Paulus gedeckt, wurde als gotteslästerliche Anmaßung zurückgewiesen.

"Leichenfledderei"

Vor allem aber traten die Behörden auf den Plan. Ein Sprecher des Bezirksstaatsanwalts von Grünberg (Zielona Gora) erklärte, in Polen dürften Leichen nur für die Ausbildung von Medizinern präpariert werden.

Sie dürften auf keinen Fall ausgestellt werden, selbst wenn die betreffenden Personen zu Lebzeiten ihr Einverständnis gegeben hätten und auch die Angehörigen einverstanden seien. Das polnische Recht sehe vor, dass Tote grundsätzlich beerdigt oder eingeäschert werden müssen.

Doch nicht allein die "Leichenfledderei", wie es die Boulevardpresse nennt, erregt die Öffentlichkeit, sondern auch die Biographie desjenigen, den von Hagens für seine Investition in Polen beauftragt hat: Seinen 89 Jahre alten Vater Gerhard Liebchen.

Dieser hat im Zweiten Weltkrieg der SS angehört und dem Volksdeutschen Selbstschutz, einer Miliz der deutschen Minderheit in Polen, die sich am Terror gegen die polnischen Mitbürger beteiligt hat. Das für Dokumentation und Ahndung von "Verbrechen am polnischen Volk" zuständige Institut für das Nationale Gedächtnis untersucht nun, ob gegen Liebchen etwas vorliegt.

Hoffnung auf 200 Arbeitsplätze

Der erklärte in Interviews in bestem Polnisch, er habe sich selbstverständlich nichts zuschulden kommen lassen. Doch der Sohn bat ihn vorsichtshalber, Polen zu verlassen. Anscheinend ungerührt von dem Lärm um sein Vorhaben möchte er demnächst persönlich die Vorbereitungen für die Betriebsaufnahme in Augenschein nehmen.

Erst nach seinem Besuch möchte der Gemeinderat von Sienawa über den brisanten Fall entscheiden. Die Gemeinderatsvorsitzende Krystyna Korzeniowska erklärte, die Einwohnerschaft sei gespalten. Ein Teil lehne empört das Vorhaben Gunther von Hagens ab und fordere die Aufhebung der Investitionsgenehmigung.

Ein anderer Teil aber setze darauf, dass wirklich bis zu 200 Arbeitsplätze geschaffen würden, wie es der sich als Künstler verstehende Leichenpräparator versprochen hat.

Die Gegend ist arm, in manchen Orten der Umgebung ist mehr als ein Drittel der Menschen arbeitslos. Doch vieles spricht dafür, dass sie alle Hoffnung fahren lassen müssen. Denn wie auch immer das Votum des Gemeinderates ausfallen wird, die Behörden haben deutlich gemacht: Sienawa ist kein Ort, in dem Leichen präpariert werden dürfen.

© SZ vom 8.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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