Klinikclowns:Operation Lustig

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Mit ganzem Einsatz wider den Ernst des Gesundheitswesens: In vielen Kliniken bringen Clowns kranken Kindern eine Menge Spaß. Bislang fast immer ehrenamtlich. (Foto: Uriel Sinai/Getty Images)

Klinikclowns wollen Kindern die Angst im Krankenhaus nehmen. Ob das klappt, hat nun eine Studie der Greifswalder Grypsnasen mit zwei Universitäten untersucht - ernsthaft, aber nicht ohne Witz.

Von Thomas Hahn

Winfried Barthlen weiß schon, dass manche Menschen seinen Ansatz kindisch und unprofessionell finden. Aber das ist ihm egal. Barthlen ist Direktor der Kinderchirurgie an der Universitätsklinik Greifswald, er hält Fröhlichkeit für einen wichtigen Bestandteil des medizinischen Alltags. Und seit diesem Donnerstag kann er ein weiteres Argument dafür ins Feld führen. Da hat er als Projektleiter nämlich das Ergebnis einer Pilotstudie vorgestellt, die sein Haus mit der Humboldt-Universität in Berlin zu der Frage durchgeführt hat, ob Klinikclowns hilfreich sind. Antwort nach der Datenerhebung: Ja, sie sind hilfreich. "Klinikclowns verringern die Angst vor einer Operation", melden Winfried Barthlen und seine Mitstreiter bei diesem Projekt, in dem es eigentlich nicht nur um Aspekte moderner Medizin geht. Sondern auch ganz grundsätzlich um den Sinn des Lachens.

Eine Überraschung ist das Ergebnis nicht. Fast fragt man sich, ob diese Pilotstudie wirklich nötig war oder ob man den Einsatz von Clowns im Krankenhaus nicht auch mit der einen oder anderen Lebenserfahrung hätte rechtfertigen können. Auf die therapeutische Qualität des Lachens haben berufene Leute schon vor langer Zeit hingewiesen. "Humor ist der Regenschirm der Weisen", hat zum Beispiel der Schriftsteller Erich Kästner einmal gesagt. Im Humor liegt die Kunst zur Gelassenheit, zum souveränen Umgang mit den verschiedensten Schwächen, zu einer gewissen Leichtigkeit auch in härteren Zeiten.

Natürlich ist Lachen gut für die Gesundheit. Oder hat sich schon mal jemand totgelacht?

Wer Humor besitzt, hat es nicht nötig, sich so sehr über jemanden zu ärgern, dass er diesen zum Feind erklärt. Der österreichische Skiverband hat diese Erkenntnis vor Jahren genutzt, um seinen Spitzenskispringern ihre Verbissenheit abzutrainieren. Der Kölner Humorberater Jonathan Briefs war damals insbesondere mit dem verspannten Verhältnis zwischen den konkurrierenden Hochbegabten Thomas Morgenstern und Gregor Schlierenzauer befasst - mit Erfolg. Hätten die Menschen mehr Humor, gäbe es wahrscheinlich auch weniger Kriege. Und dass Lachen der Gesundheit zuträglich ist, kann jeder bestätigen, der es von Zeit zu Zeit selbst tut. Oder hat sich schon mal jemand totgelacht?

Winfried Barthlen muss jetzt auch ein bisschen lachen. Ihm war natürlich vorher klar, was die Studie jetzt bestätigt. Er ist ein bekennender Anhänger des Medizin-Kabarettisten Eckart von Hirschhausen, der die Pilotstudie als Schirmherr begleitet hat und am Donnerstag in der Mensa des Greifswalder Campus eine Vorlesung zu seinem Lieblingsthema hielt: "Humor hilft heilen." Andererseits muss Barthlen zugeben, dass das Offensichtliche auch täuschen kann. "Es gibt die Erfahrung, dass nicht jede Wahrheit, die vollkommen klar erscheint, auch richtig ist", sagt er. Dass eine Blinddarmentzündung sofort operiert werden muss, sei zum Beispiel so eine Weisheit von früher, die der modernen Erkenntnis nicht standhielt. "Es lohnt sich, in der Medizin sicherzugehen."

Dass die Clowns halfen, verrieten die Kinder - und ihre Oxytocin-Spiegel

Außerdem fehlt weiten Teilen der Erwachsenenwelt genau jener Humor, der ihr mehr Vertrauen in die Kraft der Clowns geben könnte. "Das Zauberwort heißt evidenzbasiert", sagt Barthlen. Was man nicht in Zahlen belegen kann, gilt nicht. Gerade auf die strengen Buchhalter eines Gesundheitswesens, das auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz getrimmt ist, kann die Idee, den Krankenhausalltag fröhlicher zu gestalten, wie ein romantischer Witz wirken.

Deshalb sind Winfried Barthlen und seine Mitstreiter froh, dass sie jetzt ihre Pilotstudie vorzeigen können. 31 Kinder im Alter von vier bis 13 Jahren wurden untersucht. 17 Kinder wurden vor einer Operation durch die ehrenamtlichen Clowns des Vereins Greifswalder Grypsnasen mit Humor behandelt. 14 Kinder mussten ohne den komischen Beistand auskommen. Die Untersuchung der Testpersonen bestand in einer persönlichen Befragung und Messungen des Oxytocin-Spiegels.

Das Hormon Oxytocin beeinflusst das Bindungsverhalten, zum Beispiel zwischen Mutter und Kindern, aber auch zwischen Partnern. Es hilft, Stress zu regulieren. Die Pilotstudien-Betreiber bezeichnen es als "Glückshormon", deshalb hatte es für Befürworter des Klinikclowns eine besondere Bedeutung, dass Matthias Nauck, Professor für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, bei der Vorstellung der Pilotstudie erklärte: "Der Oxytocin-Spiegel fällt nach der spielerischen Begegnung mit den Clowns höher aus." Und die Berliner Psychologin Tabea Scheel stellte nicht nur bei den Kindern eine beruhigende Freude am Clown fest, sondern auch bei den Eltern, die manchmal mehr Angst vor den Operationen haben als die Kinder selbst. "Die Zahlen sind eindeutig", sagt Winfried Barthlen. Er findet, dass Clowns einen festen Platz auf den Stationen der Krankenhäuser bekommen sollten als respektvolle Spaßmacher, die die Sorgen von Kindern und Eltern kleinkriegen. In anderen Ländern gibt es das schon. In Deutschland fehlt es noch an Überzeugungsarbeit. Deshalb bereiten Barthlen und seine Mitstreiter auch schon eine umfassendere Anschlussstudie vor. Der Professor sagt: "Wir wollen Politik und Krankenkassen überzeugen." Wider den Ernst des Gesundheitswesens.

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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