Kampagne:Touch Scream

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Facebook aktualisieren, ein paar Nachrichten checken: Wer beim Fahren auf das Smartphone schaut, lebt gefährlich (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Mit einer drastischen Kampagne und einem düsteren Videoclip warnt das Bundesverkehrsministerium insbesondere junge Menschen vor der Handy-Nutzung am Steuer - aber reicht das wirklich?

Von Michaela Schwinn, München

Der Junge liegt im Kindersitz, mit geschlossenen Augen und Teddy im Arm. Leise Musik, eine friedliche Szene. Bis die Kamera plötzlich ranzoomt, auf die zersplitterte Frontscheibe und den Fahrersitz; der Vater zeigt keine Regung, er hat eine Wunde am Kopf. Die Mutter daneben versucht panisch, sich zu befreien. Das Auto geht in Flammen auf.

Der neue Videoclip der Kampagne "Runter vom Gas" soll wachrütteln und diejenigen warnen, die sich am Steuer ablenken lassen, von Smartphones oder anderen Geräten. #FingervomHandy heißt die Aktion, die der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) an diesem Dienstag in München vorgestellt haben. Der Hashtag sagt schon alles: Der Imperativ richtet sich vor allem an junge Menschen. An eine Generation, die "always on" ist, wie es Dorothee Bär (CSU), Parlamentarische Staatssekretärin beim BMVI, nennt. Eine Geschichte hat auch sie zu erzählen, von ihrer Cousine auf der Autobahn, ihr Handy sei zu Boden gefallen. " Sie wollte es hochholen, passte ein paar Augenblicke nicht auf und schon war sie auf der Gegenfahrbahn. Ihr kam ein Lkw entgegen, sie konnte nicht mehr ausweichen", sagt Bär. Ihre Verwandte, damals 18, habe überlebt, schwer verletzt, aber mehr als zehn Jahre fuhr sie kein Auto mehr. "Junge Leute wollen wissen, was bei Facebook los ist oder wie ihr Video bei Snapchat ankommt. Sie stehen unter dem Druck, sich ständig informieren zu müssen." Deswegen gehören neben dem Videoclip auch Bilder in knalligen Farben mit Sprüchen wie "Lieber nicht erreichbar als nicht zu retten" zu der Aktion. Diese sollen Jugendliche über die sozialen Netzwerke teilen.

Zwei Gäste sind an diesem Nachmittag geladen, gerade weil sie bei den Jugendlichen Gehör finden. Der Rapper Kay One, 33, und Oguz Yilmaz, 26, der Mitglied von "Y-Titty" war, einem der erfolgreichsten Kanäle auf Youtube. Die beiden Influencer verfügen über mehrere Tausend Follower in den sozialen Netzwerken und dürften sicherlich dabei helfen, die Kampagne noch bekannter zu machen. Gekommen sind sie ganz freiwillig, beide wandten sich an das Verkehrsministerium, sie wollten helfen. Kay One hat Anfang des Jahres einen Freund bei einem Verkehrsunfall verloren, und Oguz Yilmaz verursachte selbst einen Unfall, als er einen Blick auf sein Handy warf. "Es ist zwar nichts Schlimmes passiert", sagt er, "aber ich hatte Beifahrer. Und ich hätte nie gedacht, dass das so schnell gehen kann."

Dass junge Autofahrer zwar besonders gefährdet sind, am Steuer zum Smartphone zu greifen, aber es sich zugleich um ein Problem handelt, das die gesamte Gesellschaft betrifft, zeigt eine aktuelle Umfrage. Mehr als 2500 Personen unterschiedlichen Alters nahmen daran teil. Heraus kam: Beinahe alle schätzen es als sehr gefährlich ein, während des Fahrens zu telefonieren oder Textnachrichten zu schreiben. Und trotzdem gab fast jeder Zweite an, regelmäßig am Steuer zum Mobiltelefon zu greifen.

Das Schock-Video mit dem schlafenden Kind und dem regungslosen Vater soll nun die "Zahlen nach unten schrauben", hofft Bär. Aber wie hilfreich sind solche Kampagnen wirklich? "Ich finde das gut", sagt Jens Schade, Verkehrspsychologe an der Technischen Universität Dresden, "schon deshalb, weil das Thema Aufmerksamkeit bekommt." Noch wirksamer seien aber höhere Bußgelder und strenge Kontrollen: "Das betrifft die Menschen direkt, das tut ihnen weh." Mit dieser Forderung steht Schade nicht alleine da: Noch im September sollen die Bußgelder für die Handynutzung am Steuer erhöht und das Verbot auch auf Tablets und E-Reader ausgeweitet werden.

© SZ vom 12.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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