Juwelenraub:Ewige sieben Minuten

Lesezeit: 3 min

Die leuchtenden Bäume stehen noch: Polizeifahrzeuge vor dem Hotel Ritz in Paris am Mittwochabend. (Foto: Thomas Samson/dpa)

Spektakulär gescheitert: Drei vermummte Gestalten stürmen mit Äxten in das Pariser Luxushotel Ritz und erbeuten Schmuck und Uhren im Wert von vier Millionen Euro. Weit kamen sie nicht.

Von Nadeschda Scharfenberg

Die Täter kamen zur Cocktailzeit. Gegen 18.30 Uhr stürmten drei vermummte Gestalten durch einen Hintereingang in die Lobby des Ritz-Hotels in Paris, bewaffnet mit Pistolen und Äxten. Sie feuerten Schüsse in die Decke und zertrümmerten das Glas mehrerer Vitrinen, darin Schmuck und Uhren verschiedener Juweliere. "Wir dachten erst, es sei ein Terroranschlag", sagte eine Zeugin laut Medienberichten, die Hotelgäste suchten hinter der Theke der berühmten Hemingway-Bar Schutz, einige flüchteten in den Keller. Ungefähr sieben Minuten dauerte der Überfall am Mittwochabend, die Pariser Polizei bezeichnete die Tat als "regelrechtes Kommandounternehmen, generalstabsmäßig vorbereitet und blitzschnell ausgeführt", das britische Wirtschaftsmagazin Forbes schrieb von einem "Blitzkrieg". Dann schickten sich die Täter an, mit der Beute im Wert von angeblich vier Millionen Euro zu verschwinden.

Schnell wird bei solchen Juwelendiebstählen an die Pink Panthers gedacht

Weit kamen sie dabei nicht - um nicht zu sagen: Ihre Flucht endete, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Denn der Hintereingang, den sie benutzen wollten, war verriegelt. "Natürlich gibt es in solchen Etablissements ein Sicherheits- und Alarmsystem", sagte ein Polizist der Nachrichtenagentur AFP. Bevor sie festgenommen wurden, warfen die drei Täter die Beute aus einem Fenster, draußen warteten zwei Komplizen. Einer flüchtete mit dem Auto, der zweite brauste auf einem Motorroller davon. Der Rollerfahrer verlor eine Tasche mit Juwelen, ein weiterer Sack mit Beutestücken lag vor dem Hotel. Bei den festgenommenen Tätern handelt es sich um polizeibekannte Männer um die 30 aus einem Pariser Vorort. Das Fluchtauto wurde später verbrannt im Umland gefunden. Bei spektakulären Juwelendiebstählen kommt sofort der Verdacht auf, dass dahinter die berüchtigten Pink Panthers stecken könnten. Die weltweit operierende Bande wird für 500 Überfälle verantwortlich gemacht, der Wert ihrer Beute soll insgesamt mehr als 300 Millionen Euro betragen. Ihren Namen haben die Pink Panthers von einem Scotland-Yard-Ermittler verliehen bekommen, weil sie nach einem Raub in London einen Diamantring in einem Creme-Tiegel versteckten - wie im Film "Der rosarote Panther" von 1963. Die Bandenmitglieder, die meist aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen, gelten als rücksichtslos und gewaltbereit. Ihre Überfälle sind minutiös geplant und blitzschnell sowie mit großer Zerstörungswut ausgeführt. Einer ihrer spektakulärsten Coups: 2007 rasten sie mit zwei Limousinen, eine schwarz, eine weiß, in eine Mall in Dubai vor ein Juweliergeschäft. Der schwarze Wagen rammte das Schaufenster, maskierte Männer räumten den Laden leer. Nach 58 Sekunden hupte das weiße Auto, das Signal zum Aufbruch. Für einen Überfall in Tokio im selben Jahr brauchte die Bande sogar nur 30 Sekunden. Die Pariser Polizei ermittelt unter anderem in die Richtung der Pink Panthers, allerdings spricht nach Einschätzung von Ermittlerkreisen vieles dagegen, dass diese hinter dem Überfall auf das Ritz stecken. Denn bei genauerem Hinsehen entpuppt sich der Raubzug weder als blitzschnell, noch generalstabsmäßig vorbereitet. Sieben Minuten sind im Vergleich zu den 58 Sekunden von Dubai oder den 30 Sekunden von Tokio eine Ewigkeit. Das Hotelpersonal hatte genügend Zeit, die Türen zu verschließen. Der Zeitpunkt des Überfalls scheint nicht besonders vorausschauend gewählt zu sein: Cocktailstunde im Hotel, viele Gäste in der Lobby, die in Schach gehalten werden mussten. Und auf den Straßen Rushhour, was die Flucht erschwert. Außerdem liegt das Ritz, das dem ägyptischen Milliardär Mohammed Al-Fayed gehört, an der Place Vendôme direkt neben dem Justizministerium, die Polizeipräsenz am Regierungsgebäude ist hoch. Und seit 2014 sind dort sogar noch mehr Streifen unterwegs: In jenem Jahr wurden im 1. Arrondissement innerhalb von sieben Monaten fünf Juweliere überfallen, danach wurden die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Klar also, dass die Polizei nach sieben Minuten da war. Trotz der erhöhten Wachsamkeit übt das Viertel rund um die Oper mit seinen vielen Juwelierläden immer noch einen großen Reiz auf Räuber aus. Im März 2016 bedrohten Kriminelle die Angestellten einer Chopard-Boutique mit einer Granate und erbeuteten Schmuck im Wert von sechs Millionen Euro. Ein halbes Jahr später traf es die Filiale eines Schweizer Uhrenherstellers, Schaden hier: eine halbe Million. Im Oktober 2016, während der Pariser Modewoche, überfielen bewaffnete Männer die amerikanische TV-Selbstdarstellerin Kim Kadashian in einer Privatresidenz und stahlen neun Millionen Euro teure Klunker. "In der EU kehrt der Trend zum Juwelenraub zurück", heißt es bei Europol. "Die Kriminellen gehen immer gewaltsamer vor und benutzen immer häufiger Fahrzeuge, um in Juweliergeschäfte zu fahren." Auch wenn die Pink Panthers wahrscheinlich nicht für den Überfall auf das Ritz verantwortlich sind, scheint ihr stets skrupelloses Vorgehen Nachahmer zu finden. Europol unterhält seit Jahren eine eigene Projektgruppe für Juwelendiebstahl. Bis vor einem Jahr befasste sich diese ausschließlich mit den Pink Panthers, kürzlich haben die Fahnder ihren Fokus erweitert. Ermittler gehen davon aus, dass exklusive Schmuckstücke, wie sie die Bande im Ritz erbeutet hat, nur schwer verkauft werden können - ihr Wiedererkennungswert ist zu groß, ähnlich wie bei Gemälden. Allerdings können Edelsteine aus der Fassung gebrochen und eingeschmolzen werden. Dabei verlieren sie zwar an Wert - sind aber danach noch lange nicht wertlos.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: