Justizdrama um Harry W.:Opfer oder Täter?

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Erst Schuldspruch, dann Haft, dann Freispruch: Nun steht Harry W. in Mannheim zum dritten Mal vor Gericht. Er soll vor zwölf Jahren versucht haben, seine Frau zu ermorden.

Mit scharfer Kritik an der Polizei ist das Justiz-Drama im Fall Harry W. in eine neue Runde gegangen. Zwölf Jahre nach dem versuchten Mord an einer Polizistin in Birkenfeld (Baden-Württemberg) steht deren Ex-Mann seit diesem Mittwoch zum dritten Mal vor Gericht.

Angeklagter Harry W.: In Mannheim beteuerte er erneut seine Unschuld. (Foto: Foto: dpa)

Der 42-jährige W. beteuert weiter seine Unschuld. "Die Polizei hat in skandalöser und beschämender Weise ermittelt", sagte sein Verteidiger Ralf Neuhaus vor dem Landgericht Mannheim.

Der Fall ist einer der ungewöhnlichsten Prozesse der deutschen Rechtsgeschichte. Der gelernte Gas- und Wasserinstallateur soll in der Nacht zum 29. April 1997 seine Ex-Frau in ihrer Wohnung mit einem Wollschal fast erdrosselt haben. Sie ist seitdem schwerst hirngeschädigt und kann nicht mehr aussagen.

Auch der damals zweijährige Sohn des Paares hat keine Erinnerung an das dramatische Geschehen. Für die Tat gibt es somit keine Zeugen.

W. wurde 1998 zu elf Jahren Haft verurteilt und hat einen Teil der Strafe verbüßt. Sein Anwalt schaffte, was nur sehr selten gelingt: ein Wiederaufnahmeverfahren, das mit einem Freispruch endete.

"Ich war es nicht!"

Der Bundesgerichtshof ordnete aber wegen "durchgreifender Rechtsfehler" eine Neuauflage des Prozesses an. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass W. der Täter ist - und will das in 40 Verhandlungstagen nachweisen. Das Urteil soll am 22. Oktober gesprochen werden.

Der Anwalt sieht W. hilflos einer "Polizeimaschinerie" ausgesetzt: Das heute 38 Jahre alte Opfer ist Polizistin gewesen, auch ihr Vater sowie ihr damaliger Geliebter - beide zählten anfangs zu den Tatverdächtigen - sind Polizeibeamte. Nach dem Angriff auf die Ex-Frau von W. im April 1997 seien Beweismittel verschwunden und der Tatort sei nicht versiegelt worden, kritisierte Neuhaus. Bis heute weigere sich die Staatsanwaltschaft, gegen andere Personen zu ermitteln, obwohl es andere Tatverdächtige gegeben habe.

Aus Sicht des zweiten Verteidigers von W. ist die Beweislage zwölf Jahre nach der Tat schwierig. "Vieles in der Erinnerung wird überlagert sein", sagte er. "Originär kann da kaum noch etwas sein."

"Ich war es nicht!", beteuerte W. mehrfach während seiner Aussage. Diese las er größtenteils vom Blatt ab - weil er sich nach zwölf Jahren nicht mehr an alle Details erinnern könne, wie er erklärte. Auf Nachfragen von Richter Rolf Glenz räumte er aber auch ein: Seine Verteidiger Neuhaus und Hubert Gorka hätten ihm geholfen, Struktur in die eigenen Aufzeichnungen zu bringen. "Und sie haben das Schwäbische ins Hochdeutsche übersetzt - sonst hätten Sie mich nicht verstanden."

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