Jugendgewalt in den USA:Drill und Erwachsenenstrafen

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In den neunziger Jahren haben die USA die Regelungen für minderjährige Straftäter drastisch verschärft. Mittlerweile werden sie gelockert, denn in der Gesellschaft erwachsener Schwerverbrecher werden Jugendliche erst zu gefährlichen Kriminellen.

Jörg Häntzschel

Auch in den USA wurde die Debatte um den Umgang mit immer jüngeren gewalttätigen Straftätern geführt, doch das ist fast eine Weile her. Anfang der Neunziger, als Amerikas Innenstädte verwahrlosten, sich die Gangs bekriegten und die Drogenwelle ihren Höhepunkt erreichte, klagten viele, wie heute in Deutschland, über die vergleichsweise milden Strafen für schwere Verbrechen jugendlicher Täter.

Als Alternative zum Gefängnis für jugendliche Täter wurden seit den achtziger Jahren die "Boot Camps" eingerichtet. (Foto: Foto: AP)

In vielen Bundesstaaten wurden daraufhin neue Gesetze erlassen, nach denen ältere Minderjährige bei Mord und anderen schweren Straftaten wie Erwachsene zu behandeln seien. Nicht selten wird dabei die Schwere der Tat selbst als Beleg für die Reife des Jugendlichen verstanden, und damit dafür, dass das eher auf Resozialisierung statt auf Wegsperren und Vergelten ausgerichtete Jugendstrafrecht in diesen Fällen nicht anzuwenden sei.

"Adult crime, adult time", also etwa: "Erwachsenenverbrechen, Erwachsenenstrafe", lautet hier die Logik. In zwölf Bundesstaaten, darunter New York, Texas und Illinois gelten Jugendliche grundsätzlich schon mit 16 beziehungsweise 17 Jahren unter strafrechtlicher Hinsicht als volljährig.

In letzter Zeit jedoch wurden viele der teils drakonischen Strafverschärfungen für Jugendliche wieder abgemildert. Der Grund war dieselbe Einsicht, die in den zwanziger Jahren erst zur Etablierung eines separaten Strafsystems für Minderjährige geführt hatte: In der Gesellschaft erwachsener Straftäter und während langer Haftstrafen werden Jugendliche auf Abwegen erst zu wirklich gefährlichen Kriminellen.

Oder sie gehen in den oft überfüllten amerikanischen Gefängnissen zugrunde, in denen Drogenkonsum, Krankheiten und sexueller Missbrauch unter den Gefangenen grassieren. Möglich wurde die vorsichtige Entspannung nicht zuletzt durch die seit Jahren auf immer neue Tiefststände sinkenden Verbrechenszahlen.

Zwischen 1994 und 2005 fiel die Zahl der festgenommenen jugendlichen Gewaltverbrecher um 46 Prozent. Die Gründe dafür sind unter anderem die niedrige Arbeitslosigkeit und das Abflauen der Drogenepidemie.

Dennoch werden jährlich immer noch 200 000 Minderjährige vor Erwachsenengerichte gestellt. Und noch immer werden Jugendliche dazu verurteilt, bis zu ihrem Tod im Gefängnis zu sitzen. Immerhin schaffte der Supreme Court 2005 durch ein Grundsatzurteil zum Fall Roper vs. Simmons die Todesstrafe für Verbrechen ab, die vor dem 18. Geburtstag begangen worden.

22 Mörder, die zum Zeitpunkt ihres Verbrechens noch nicht 18 Jahre alt waren, sind zwischen 1976, als die Todesstrafe in den USA wieder eingeführt wurde, und 2005 hingerichtet worden.

Als Alternative zum Gefängnis für jugendliche Täter wurden seit den achtziger Jahren die "Boot Camps" eingerichtet, wo harte, militärische Ausbildung simuliert wird, um die Jugendlichen Respekt, Gehorsam und Disziplin zu lehren.

Auch private Betreiber übernahmen das Modell. Sie versprachen überforderten Eltern, nach ein paar Wochen im Besserungslager kämen ihre verwahrlosten Kinder anständig und friedlich zurück. Doch Missbrauch, sadistisches Personal, Todesfälle durch Verdursten und Erschöpfung brachten die Lager in Verruf.

Der Glaube, das Versagen von Eltern und Gesellschaft ließe sich notfalls am besten mit einer inszenierten Show der Härte kompensieren, lebt allerdings weiter. Vom europäischen Therapie- und Verständnisideal trennt sie mehr als ein Ozean.

© SZ vom 11.01.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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