Interview:"Er ist genau wie meine Frau"

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Thomas Gottschalk und Günther Jauch über das TV-Duell, über sich und darüber, wie sie die Fernsehwelt sehen.

Christopher Keil

SZ: Herr Gottschalk, Herr Jauch, wann haben Sie zuletzt gemeinsam fürs Fernsehen moderiert?

Zwei, die sich schon lange kennen: Thomas Gottschalk und Günther Jauch (Foto: Foto: AP)

Thomas Gottschalk: Das war ein Na sowas Extra mit Helmut Kohl in Frankfurt, in der Jahrhunderthalle.

Günther Jauch: War das vor der Bundestagswahl 1990?

Gottschalk: Von Wiedervereinigung war jedenfalls noch keine Rede.

SZ: Herr Gottschalk, war damit zu rechnen, dass Günther Jauch so populär werden würde? Er gewinnt ja sogar die Schönheitsumfragen.

Gottschalk: Ich habe dem Günther viel zugetraut, allerdings nicht den Gewinn von Beauty-Wahlen.

Jauch: Er hat mich doch reingequatscht in diese Quiz-Nummer.

SZ: In die Massen-Unterhaltung.

Gottschalk: Den Wickert könnte er morgen trotzdem ersetzen. Problemlos. Ich habe diese News-Kompetenz verloren und laufe in meiner Show auch gerne mal im Schottenrock rum.

SZ: Das wäre aber ein crossmedialer Höhepunkt: Gottschalk im Schottenrock interviewt deutsche Politiker.

Jauch: Das wäre unterhaltsamer als alles, was wir momentan sehen. Man würde unter Umständen über die Leute mehr erfahren, als wenn man sie in Runden setzt, bei denen sie gezwungen sind, Charaktermasken aufzusetzen.

Gottschalk: Früher hatte ich vor der Politik Hochachtung. Heute bemerke ich bei Guido Westerwelle einige Showelemente, die ich von mir kenne. Das macht mich etwas nervös.

SZ: Das wertet Westerwelle auf.

Jauch: Na, die Partei hat den schon wieder verschreckt. Seit er weiß, dass man als Erstes auf seine Schuhsohlen schaut, will er wieder staatstragend wirken. Wer wie Westerwelle damit rechnet, dass er in einer Koalition vielleicht zum Außenminister taugen soll, der verleugnet seine Unterhaltungsambitionen.

SZ: Vier Moderatoren, Herr Schröder und Frau Merkel: Beflügelt das TV-Duell Ihre Fantasie?

Jauch: Ich weiß nicht, ob sich die Zuschauer am Sonntag so sehr für die Antworten auf die Fragen interessieren, die alle schon gestellt wurden. Ich vermute, sie interessieren sich für die Interaktion zwischen Merkel und Schröder. Ich könnte mir vorstellen, dass es in dieser Konstellation dazu gar nicht kommt.

Gottschalk: Ich würde Schröder und Merkel ganz anders befragen. Zum Beispiel: "Gerhard, hast du überhaupt noch Lust? Und wenn du noch mal willst, warum hast du das, was du in den nächsten sieben Jahren vorhast, nicht in den vergangenen sieben Jahren gemacht?" Oder: "Frau Merkel, wollen Sie auf Auslandsreisen nicht zur Sicherheit den Schröder mitnehmen, falls eine Charme-Attacke nötig wäre?" Das wäre zwar eine naivere Tonalität, die aber vermutlich mehr Leute verstehen würden.

Jauch: In den Parteizentralen wären die Bedenken vor einer Sendung mit Thomas sicher größer. Jetzt pauken die im Trainingslager bloß Brutto und Netto.

Gottschalk: Am Sonntag werden wir sechs verschreckte Menschen erleben: Zwei wollen Kanzler werden. Von den vier anderen will jeder der Beste sein.

SZ: Können Sie sich bei gemeinsamen Auftritten so aufeinander verlassen, dass keiner der Bessere sein will?

Gottschalk: Doppelmoderationen fasst in dieser Branche jeder mit spitzen Fingern an. Das kann man nur machen, wenn es eine familiäre Verbundenheit gibt. Wir verkaufen beide für einen Gag unsere Großmütter und bringen ihnen hinterher gemeinsam Blumen. Dieser Mechanismus ist etwas ganz Besonderes.

SZ: Wie haben Sie sich kennengelernt?

Gottschalk: Der Günther war eine Radioentdeckung. Ich kannte zuerst seine Stimme. Damals warst du in Bonn.

Jauch: Ach was.

Gottschalk: Du warst doch in Bonn. Deine politischen Reportagen hatten immer ein gewisses Augenzwinkern. Und das beim Bayerischen Rundfunk, zu dieser Zeit. Im Gegensatz zu mir war der ja auch noch im seriösen Fach.

Jauch: Er ist genau wie meine Frau. Er blendet die Frühzeit völlig aus. Bonn war viel später, in den Achtzigern. Ich weiß es deswegen so genau, weil ich 1976 nach Bayern kam und ebenfalls nur seine Stimme kannte. Er moderierte Pop nach acht, und ich habe das jeden Abend gehört. Als ich 1977 beim BR landete, habe ich mir überlegt, was man für ihn und seine Radiosendung machen kann. Ich schleppte mich also eine Nacht durch Münchner Discotheken und ließ mich von Türstehern abweisen. Ich bin mit dem Band zu ihm und habe gefragt: "Wäre das was für dich?" Er sagte: "Jaja." Das war das Gute bei ihm, er hörte kaum hin und sagte: "Komm übermorgen vorbei." Bis dahin hatte er es schon wieder vergessen. Ich stand plötzlich an der Studioscheibe, er sagte: "Wie? Was? Okay."

SZ: Herr Jauch, Sie sind mit Ihrer Firma I&U auch Produzent. Die Gala, die das ZDF in einer Woche zum 60. Geburtstag von Franz Beckenbauer überträgt, wird von I&U hergestellt. Teilen Sie die gegenwärtige Kritik an den deutschen Sendern, denen Sicherheitsdenken, Innovationsfeindlichkeit und mangelnde Geduld vorgeworfen wird?

Jauch: Wir haben neulich etwas richtig Neues ausprobiert. Das ist auch fertig. Wir scheitern aber daran, dass entweder die Protagonisten der Sendung oder die Sender selbst der Mut verlässt.

SZ: Was ist denn das Geheimnis?

Jauch: Das ist ungefähr so geheim wie die Finanzierbarkeit von Lafontaines Konjunkturprogramm. Aber früher wurde einfach mal pilotiert und finanziert. Heute ist der wichtigste Mann bei vielen Sendern derjenige, der am Fax sitzt und morgens die Zahlen rausholt: 33,7. 28,7. 54,3. Ohh! 54,3 ist das Programm Chiwahchauuii aus Japan. Kann ich da mal eine Kassette haben! Dann kommt etwas Entglittenes, und wenn man fassungslos davor sitzt, weil einem gesagt wurde: "Könnt ihr das nicht produzieren?", heißt es: "Das hat in Japan 54 Prozent gehabt." Das finde ich relativ arm.

Gottschalk: Ich hatte den gestalterischen Ehrgeiz nie. Frank Elstner erfindet heute noch alle zwei Wochen eine Samstagabendshow. Ich habe mich immer mehr als Kellner gesehen, der das rausträgt, was andere vorbereiten. Und ich habe die Sicherheit, dass ich eine bestimmte Zielgruppe hundertprozentig begreife. Ich würde sie auf Gottschalks Alter plusminus 15 Jahre festlegen. Die Legende funktioniert. Meine Zielgruppe macht in zehn Jahren ohnehin 80 Prozent der Deutschen aus und stirbt mit mir aus.

Jauch: Für mich sind die 20 Fernsehjahre bisher wie geschenkte Jahre. Wenn meine Zeit vorüber ist, habe ich mir fest vorgenommen, das so hinzunehmen.

SZ: Sie können sich das leisten.

Gottschalk: Ja, der Günther ist sparsam, ohne einen Grund dafür zu haben. Und ich bin großzügig, ohne Rücksicht auf Verluste. Irgendwann legen wir zusammen, dann stimmt's wieder.

SZ: Schauen Sie sich gegenseitig im Fernsehen zu?

Gottschalk: Ihm ja, mir nicht.

Jauch: Wetten, dass..? ist speziell durch die Kinder bei uns ein Thema.

Gottschalk: Ich leide beim Fernsehen. Vor allem beim Eindruck, und der mag ja manchmal falsch sein, das könnte ich besser. Es ist einfach schmerzhaft, jemanden dilettieren zu sehen. Bei Harald Schmidt und bei Günther bin ich völlig entspannt. Ich stehe übrigens immer als Gewinner zur Verfügung: Mein Sohn war fasziniert, als ich neulich in der Lufthansa nach L.A. die Million gewonnen habe. Wer wird Millionär? kann man nun auch im Flieger am Computer spielen.

SZ: Haben Sie auch vergessen, dass bei RTL immer noch Stern TV läuft ?

Gottschalk: Ich hab's eben erst wieder gesehen. Mir wäre es peinlich, jemanden zum Thema Inzest zu befragen. Ich könnte das nicht. Ich denke immer, die Frau ist gestraft genug. In der muss ich jetzt nicht auch noch rumbohren. Günther hat damit kein Problem. Das ist seine journalistische Klasse, so etwas ohne Peinlichkeit zu erfragen. Der Günther bedient ja die Ängste der Deutschen: vom Asbest bis zum Inzest. Da kommt er und fragt: "Wann hatten Sie zuletzt das Gefühl, das Haus fällt Ihnen über dem Kopf zusammen?" Die Gäste sagen: "Gestern." Und er sagt: "Morgen wird's passieren."

Jauch: Mir geht es umgekehrt so: Da läuft eine Paris Hilton ein. Ich wäre so was von nicht in der Lage, vor diesem fleischgewordenen Nichts irgendwelche Funken zu schlagen. In diesem Moment zu wissen, da ist einer, der kann das, dem ist es egal, ob ihm eine Giraffe reingeschoben wird oder Graf Lambsdorff.

Gottschalk: Oder Graf Lambsdorff auf der Giraffe.

SZ: Wie weit geht Ihre Zuneigung eigentlich? Fahren Sie womöglich mit Ihren Familien zusammen in den Urlaub?

Gottschalk: Urlaub? Der Günther ist ein Stubenhocker. Der wandert höchstens mal durch die Masuren.

Jauch: Es heißt: durch Masuren - ohne "die". Ansonsten hat er Recht.

Gottschalk: Ich bin überzeugt, wenn seine Kinder nicht so verzogene Wohlstandsgören wären, würde der heute noch durch den Müritzsee paddeln. Aber da er ihnen jetzt zeigt, dass es Menschen gibt, denen es besser geht als ihm, traut er sich bis nach Kalifornien.

SZ: Er hat Sie in Malibu besucht?

Gottschalk: Ich darf das mal in aller Kürze erzählen.

Jauch schaut entsetzt

Gottschalk: Ich hole ihn am Flughafen von Los Angeles ab. Ich habe natürlich angenommen, dass er, wenn er ein Auto über seine zweitbeste Freundin Regine Sixt mietet oder über den Präsidenten von Hertz weltweit, dass er da klassenmäßig ganz vorne liegt. In Amerika gibt es ja bei den Car Rentals diese Kategorien: Zuerst kommen die Platin-Members - das sind immer nur ein paar Namen, die da auf den Leuchttafeln der Mietwagenfirmen stehen. Den Namen Jauch habe ich umsonst gesucht. Dann kommen die Gold-Members: Da standen zwar mehr Namen, aber auch kein Jauch. Dann kommt Blech, und dort bildete sich eine lange Schlange - in der standen die Stewardessen von der Aeroflot und Günther. Da hatte er sich so ein Ding mit Plüschsitzen gemietet und wollte mit seiner Familie ins Tal des Todes fahren. Ich hab' ihm gesagt: "Dir kleben die Kinder doch auf den Sitzen fest." Er hatte ja Gepäck dabei. Eine Tochter hätte aufs Dach gemusst. Ich habe ihm also ein besseres Auto bestellt. Als er "end of the line" hörte, wurde er blass. Sein Großraumwagen hat dann 70 Dollar am Tag gekostet. Doch er hatte sich auf die 36 Euro-am-Tag-Karre gefreut, die man ihm bei Lila-Billigreisen in Berlin versprochen hatte.

SZ: Dass er seine Kinder aus der Schule nahm, weil es ihnen dort zu leicht gemacht wurde, haben Sie ganz bestimmt unterstützt.

Gottschalk: Ach was. Ich danke Gott auf Knien, wenn meine Söhne eine Dreiplus nach Hause bringen.

Jauch: Thomas ist der bessere Pädagoge. Er geht die Sache gefühlsorientierter an. Entscheidend ist am Ende, was er hinbekommt. Da wäre er bei meinen Damen jeden Alters immer erfolgreicher als ich.

Gottschalk: Seine Tochter stand bei uns am Pool und traute sich nicht, reinzuspringen. Günther stand am Rand und dozierte. Nichts passierte - bis ich ihr zehn Dollar geboten habe.

Jauch: Es waren fünf.

Gottschalk: Egal - sie war drin. Das ist das Faszinierende: Wenn wir uns gemeinsam durchs Leben schlügen, wären wir im Fernsehen und im Leben unschlagbar. Wenn er an Freiheit denkt, denkt er an Malibu. Wenn ich an Geld denke, denke ich an Günther. Beides kannst du nicht haben, zusammen haben wir es.

SZ: War das Fernsehen früher besser?

Jauch: Ich habe zuletzt diese Schwarzweißschnipsel aus den Fünfzigern gesehen. Wenn Peter Frankenfeld so kleine Plastikhubschrauber über seinem Publikum steigen ließ und die Leute sich ausgeschüttet haben...

Gottschalk: ... oder wer am schnellsten zehn Wäschestücke aufhängt.

Jauch: Das kann ich nicht mehr nachvollziehen. Oder Dalli Dalli, das ist verfilmter Kindergeburtstag gewesen. Insofern sollte man bei Qualitätsdiskussionen vorsichtig sein. Meine alte These: Ein durchschnittlicher Kabelanschluss hat 30 Kanäle. Man kann zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas Interessantes finden.

Gottschalk: Die Angebotsvielfalt rettet es.

SZ: Qualitätsfernsehen ist das Vorhandensein von 30 Programmen?

Jauch: Natürlich nicht ausschließlich. Früher wurden die Privaten gescholten, weil sie immer nur nach der Quote gierten. Wer die höchste Quote hatte, war der King. Wenn das heute noch so wäre, wäre ich dankbar. Es ist aber bei den Privaten nicht mehr so. Man kann da Sendungen abliefern, die richtig gute Quote haben. Dann kommt aber drei Tage später einer und sagt: "Ich habe mal zusammengerechnet. In den zweieinhalb Stunden sind für den Sender 100.000 Euro übrig geblieben. Wenn ich eine alte Quincy-Folge aus dem Keller hole, bleiben für den Sender 150.000 Euro übrig." Wenn nicht das entsprechende Geld verdient wird, kann die Sendung so gut sein, wie sie will, dann ist sie nicht interessant und wird bei den kommerziellen Sendern rausfliegen. Dies zwingt dazu, das Billigste zu machen, das Billigste im doppelten Sinn. Da sehe ich die Öffentlich-Rechtlichen langfristig durch die feststehende Finanzausstattung im Vorteil.

SZ: Herr Jauch, wie sehen Sie Gottschalks Zukunft?

Jauch: Ich glaube, dass Thomas einer ist, der sehr gut in Würde altern kann. Ich habe da ein Bild von ihm, wie er in 20 Jahren mit sich, seiner Familie und dem Rest der Welt im Reinen ist und sagt: "Es war doch ein halbwegs spannendes und lustiges Leben."

Gottschalk: Und er muss schauen, dass seine Töchter nicht groß werden und ihn nur aus dem Fernsehen kennen. Und zu Hause muss er außerdem lernen, mehr Vater zu sein als Volkshochschullehrer. Die Fähigkeit zum Genuss ist bei ihm noch nicht genügend ausgeprägt, aber ich arbeite daran. Am einfachsten wird es sein, wenn ich künftig seine Töchter übernehme.

Jauch: Und ich deinen Bentley, dann wäre allen geholfen.

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