In der Nähe des mutmaßlichen Frauenmörders:"Ich habe ihn ganz anders kennengelernt"

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Alexandra Reisch-Zimmerling arbeitete als Haushaltshilfe auf der Farm des mutmaßlichen Mörders Robert Pickton.

Karlheinz Kas

Derzeit steht in Vancouver Robert Pickton vor Gericht. Der kanadische Bauer muss sich wegen Mordes an 26 Prostituierten verantworten. Zudem steht Pickton, der im Februar 2002 verhaftet wurde, in dem Verdacht, die Frauen an seine Schweine verfüttert zu haben. Alexandra Reisch-Zimmerling, 48, arbeitete im Herbst 1979 als 21-Jährige drei Monate lang auf der Ranch als Haushälterin. Mit der Kinderpflegerin und Hauswirtschafterin, die mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern im oberbayerischen Trostberg wohnt, sprach Karlheinz Kas vom Trostberger Tagblatt für die SZ

Alexandra Reisch-Zimmerling (rechts) 1994 auf der Pickton-Ranch mit Picktons Nichte Tammy. (Foto: Foto: privat)

SZ: Wann haben Sie erstmals von den grausamen Taten auf der Ranch gehört?

Zimmerling: Das ist etwa vier Jahre her; zufällig hatte ich nachts Spiegel-TV gesehen. Ich stieß einen lauten Schrei aus, als ich merkte, worum es in dem Bericht ging. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen; ich war fix und fertig.

SZ: Damals war von einigen Morden die Rede, jetzt vermutet die Polizei, dass bis zu 60 Frauen ermordet sein könnten.

Zimmerling: Ich komme mir vor wie in einem schlechten Film. Ich habe Bob (so nennt sie Robert William Pickton, Anm. d. Red.) ganz anders kennengelernt. Er war ein schüchterner Typ, sehr zurückhaltend, sehr fleißig. Er war vielleicht nicht der Klügste, aber er war einfach nett.

SZ: Pickton steht in dem Verdacht, Frauen an Schweine verfüttert zu haben.

Zimmerling: Ich kann es nicht verstehen. Ich habe ihn ganz anders in Erinnerung. Da muss irgendetwas passiert sein, vielleicht ist er schizophren geworden.

SZ: Wie kamen Sie überhaupt auf die Pickton-Ranch?

Zimmerling: Kanada war immer schon mein großer Traum. Ich hatte über eine Agentur eine Anlaufstelle in Toronto, wollte aber unbedingt in die Gegend um Vancouver. Drei Tage und Nächte bin ich mit dem Bus gefahren. Dave Pickton, Bobs Bruder, hat mich vom Bus abgeholt.

SZ: Wie war Ihr erster Eindruck?

Zimmerling: Es war alles so dreckig. Da ist seit Monaten nicht mehr geputzt worden. Die Mutter von Dave und Bob war etwa ein halbes Jahr zuvor gestorben. Ich habe erst einmal tagelang entrümpelt. Aber mir hat die Arbeit Spaß gemacht, ich war ja zum Arbeiten da.

SZ: Wie war Robert Pickton zu Ihnen?

Zimmerling: Wir lagen auf einer Wellenlänge, hörten oft gemeinsam Country- und Westernmusik. Er war zwar nicht mein Fall, aber wir hatten viel Spaß. Ich glaube, er mochte mich. Die Farm war ein offenes Haus. Neben Bob lebte sein Bruder Dave mit seiner kleinen Tochter Tammy dort, später auch seine Freundin Fanni. Daves Frau war einige Wochen zuvor weggezogen. Deshalb hatten sie mich auch wohl geholt.

SZ: Wie ging Ihre Zeit auf der Pickton-Ranch zu Ende?

Zimmerling: Ich wollte nach Vancouver in die Stadt. Dave und Bob hatten mich dann an ihre Schwester Lina in Vancouver vermittelt. Danach hatte ich nur noch eine Station und kehrte nach zwei Jahren Kanada in meine Heimat Ruhpolding zurück.

SZ: Sie sind später noch einmal nach Kanada zur Ranch gefahren.

Zimmerling: Ja, das war 1994. Ich wollte meinem Mann zeigen, wo ich als junge Frau gearbeitet habe. Wir kamen auf die Ranch und haben nur Tammy angetroffen. Wir hatten nett geplaudert, aber sie konnte sich nicht mehr an mich erinnern. Klar, es lagen ja 15 Jahre dazwischen, Tammy war erwachsen geworden, ein hübsches Mädchen. Ich habe sogar meine Tochter nach ihr benannt. Meine Tammy heißt Tamara, auf englisch also Tammy

SZ: Mitte der 90er Jahre sollen die Morde begonnen haben. Ist Ihnen bei dem Besuch etwas auf der Farm aufgefallen?

Zimmerling: Jetzt im Nachhinein sage ich ja, weil Teile der Ranch abgesperrt waren und sich dort vieles verändert hatte. Damals hatte ich mir aber nichts dabei gedacht. Irgendwie war es trotzdem ein komisches Gefühl auf der Ranch.

SZ: Wie haben Sie Pickton da erlebt?

Zimmerling: Ich habe ihn nicht getroffen. Als ich nach ihm fragte, sagte Tammy mir, ich könne in den Schweinestall gehen, da sei er gerade. Ich wollte aber nicht, weil es sehr morastig war und der Weg fast 300 Meter weit. Ich hatte nur Sandalen an. Ich glaube, ich hatte damals einen siebten Sinn. Es war vielleicht mein Glück, dass ich nicht in den Stall gegangen bin. Ich sagte, ich schaue später mal vorbei, was ich Gott sei Dank nicht getan hab. Als ich zu Hause war, hatte ich noch einen Brief geschrieben, der aber zurückkam. Mir geht es heute nicht gut. Ich muss dauernd an die Zeit in Kanada denken. Ich kannte Bob als einen ganz anderen Menschen. Angst hatte ich damals nie.

© SZ vom 27.01.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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