Homosexuelle in Japan:Schäm dich!

Lesezeit: 2 min

Wer in Japan lesbisch oder schwul ist, sollte sich schämen, erzählt Kanako Otsuji. Die Politikerin ist lesbisch. Jetzt will sie ins nationale Parlament einziehen. Dort wäre sie die erste offen bekennende homosexuelle Politikern in der Geschichte Japans.

Jahrelang hat Kanako Otsuji innerlich mit sich gerungen. Als Teenager spürte die Japanerin, dass sie lesbisch ist. Doch aus Angst vor Diskriminierung behielt sie es lange für sich. "Ich konnte es selbst nicht akzeptieren", erzählt die inzwischen 32-Jährige.

Kanako Otsuji: Die japanische Politikerin kämpft für die Rechte Homosexueller. (Foto: Foto: dpa)

Heute sitzt sie als Politikerin der größten Oppositionspartei des Landes, der Demokratischen Partei Japans (DPJ), in ihrem Wahlkampfbüro in Tokios Schwulen-Viertel im Stadtteil Shinjuku und kämpft für die Anerkennung von Homosexuellen in ihrem Land.

Ungeachtet kontroverser Meinungen hat ihre Partei sie als Kandidatin für die Ende Juli geplante Oberhauswahl aufgestellt. Sollte sie ins nationale Parlament einziehen, wäre sie dort der erste offen bekennende homosexuelle Politiker in der Geschichte Japans.

"Es ist im alltäglichen Leben in Japan noch immer schwierig, sich zu outen und zu erzählen, was für Probleme Homosexuelle in der Gesellschaft haben", sagt Otsuji im Gespräch. Zwar gibt es in großen Städten lebendige Schwulen-Szenen, gegenüber ihren Familien oder Arbeitgebern aber verheimlichen viele ihre sexuelle Orientierung.

In Japan ist Homosexualität an sich zwar seit langem akzeptiert, doch wird nicht darüber diskutiert. Im Mittelalter war Homosexualität zum Beispiel unter Samurai ein offenes Geheimnis. Japan sei eine Kultur des Schams und auch Homosexualität habe bisher als etwas gegolten, wofür man sich schämen müsse, sagt Otsuji.

Auch wenn es keine offene Feindseligkeit gegenüber Homosexuellen gebe, hinke Japan doch beim Bewusstsein sexueller Vielfalt hinter vielen westlichen Ländern her.

Als sich Otsuji vor zwei Jahren als Abgeordnete im Präfekturparlament von Osaka anlässlich einer Gay-Parade "outete", hätten die meisten ihrer Kollegen keine Reaktion gezeigt, erzählt sie, sondern das Thema einfach ignoriert.

Ihr Wahlkampfeinsatz für die Rechte von Homosexuellen erfolgt zu einer Zeit, da die Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Shinzo Abe im Volk moralische Werte und das Bild von der traditionellen Familie stärken will.

In Otsujis Büro steht ein kleines Foto, das sie mit ihrer Partnerin zeigt, beide im weißen Hochzeitskleid. Sie haben kürzlich geheiratet, rechtlich jedoch werden Homosexuellen-Ehen nicht anerkannt. Es gebe kein Gesetz gegen Diskriminierung, beklagt Otsuji.

Auch hätten homosexuelle Paare nicht die soziale Absicherung wie andere Ehepaare. So sei es schwierig, einen homosexuellen Partner als Begünstigten einer Lebensversicherung zu benennen.

Auch hätten Homosexuelle kein Recht auf das Erbe ihres Partners. Zudem gebe der Staat bisher kein Geld für die Vorbeugung gegen Aids aus, beklagt Otsuji. "Wir verstehen das als Ausdruck von Aversion gegen Homosexualität im Gesundheitsministerium", klagt die Politikerin.

Als Abgeordnete in Osaka setzte sie sich mit ihrer Mutter für Angehörige Homosexueller ein. "Familienmitglieder haben da unter Tränen erzählt, wie ihre Erwartungen an ihre eigenen Kinder enttäuscht worden seien, dass sie aber bisher nirgendwo sonst darüber reden konnte", schildert Otsuji.

Während es zwar unter männlichen TV-Stars bekennende Schwule gebe, seien Lesben in der Öffentlichkeit bisher gar nicht präsent, sagt die Politikerin. Männer würden bei Lesben allenfalls an Porno-Filme denken.

Mit ihrer Kandidatur für die Oberhauswahl will die Japanerin denn auch vor allem erreichen, dass ihre Landsleute überhaupt erst einmal wahrnehmen, dass es Menschen mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen gibt.

"Wenn ich gewählt werde, würde die Zeit enden, in der man Homosexualität ignoriert ha", sagt Otsuji. Sollte sie allerdings scheitern, sei es ungewiss, wann es wieder einen Parteikandidaten gebe, der für die Rechte von Homosexuellen kämpft.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: