Günther Jauch:Mit ganzem Herzen Journalist

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Noch ist der 49-Jährige das Gesicht von RTL. Doch wie lange noch? Denn bei der ARD soll Jauch viel mehr werden als nur der Sabine-Christiansen-Ersatz: Das Erste will ihn als Mann für besondere Fälle.

Hans-Jürgen Jakobs

Ein paar Mal schon war Günther Jauch zu Gast in der ARD-Talkshow von Sabine Christiansen. Der Mann von RTL (Stern-TV, Wer wird Millionär) machte einen guten Eindruck. So gut, dass der Evangelische Presse-Dienst (epd) bei einer Gelegenheit schalmeite, Jauch habe gezeigt, dass er mehr könne "als nur Quizshow-Grimassen ziehen: Er stellte die journalistischen Fragen, die der Sendung sonst fehlen."

2005 moderierte Jauch noch den RTL-Jahresrückblick. Macht er das Gleiche bald für die ARD? (Foto: Foto: dpa)

Die Intendanten Jobst Plog (NDR) und Fritz Pleitgen (WDR) kamen vor einiger Zeit zu ähnlichen Erkenntnissen. Jedenfalls machten sie am Rande einer ARD-Intendantentagung in Postdam, Jauchs Wohnort, bei einer zufälligen Begegnung erste Avancen. "Wollen Sie nicht etwas journalistisch Sinnvolles machen?", war die Frage. Die Antwort fiel positiv aus - und ARD-Programmdirektor Günter Struve wurde mit dem Arbeitsauftrag bedacht, weiteren Kontakt zu suchen. Das aktuelle Ergebnis: Der zum Millionär gewordene Fernsehstar, der im Öffentlich-Rechtlichen gelernt hatte, ist grundsätzlich bereit, den Sonntags-Talktermin von Christiansen im September 2007 zu übernehmen.

Nicht nur das: Günther Jauch wird aller Voraussicht nach zur journalistischen Vorzeigefigur der ARD. Nach SZ-Informationen ist im Gespräch, dass der bald 50-Jährige den ARD-Jahresrückblick oder andere interessante Sonderformate übernimmt. Auch bei großen Fußball-Ereignissen, zum Beispiel Länderspielen, wird Jauch wohl am Mikrofon auftauchen. "Das ist alles denkbar und wird in den nächsten Wochen klarer", sagt ein Hierarch.

Fernseh- und Werbestar? Nicht bei der ARD

Noch gibt es nur eine mündliche Verabredung, es gemeinsam zu versuchen. Der Rest ist: verhandeln.

Dafür zuständig ist Werner Hahn, kundiger Jurist der für den Sonntagstalk federführenden Anstalt NDR. Solche Vertragsgespräche mit dem TV-Routinier Jauch werden von Auftraggebern stets als sehr schwierig empfunden. Immerhin kassierte Jauch schon vor zehn Jahren für ein Jahr Moderation von Stern-TV fast zwei Millionen Euro. Inzwischen sind weitere Aufgaben hinzugekommen, etwa die umfangreichen Tätigkeiten seiner Produktionsfirma I & U. Sie soll auch Jauchs ARD-Sendung herstellen - gegen eine adäquate Aufragssumme.

Aus dem Umfeld von Programmdirektor Struve heißt es, es gehe jetzt in den konkreten Vertragsgesprächen vor allem um zwei Punkte: die Werbeverträge des Kandidaten sowie die Frage der Exklusivität. Beides gilt in der ARD als leicht lösbar: So ist Jauchs Tätigkeit für den Braukonzern Krombacher an karitative Ziele - Erhalt des Regenwaldes - gebunden. Und sein Werben für die Süddeutsche Klassenlotterie (SKL) hängt wiederum mit der SKL-Show auf RTL zusammen, die nicht zu den TV-Höhepunkten zählt.

"Jauch kennt die strengeren Regeln der ARD und ist bereit, sie anzuerkennen", erklärt ein Spitzenmanager. Dazu gehört die ARD-Selbstverpflichtungserklärungen mit einer klaren Trennung zwischen Programm und Werbung. Rundfunkräte des NDR forderten bereits, der Job-Wechsler müsse seine Werbeverträge kündigen. "Gespräche über die mögliche Form und Inhalte der Sendung haben noch gar nicht begonnen", erwidert Jauch. Und er sagt, juristisch ziseliert: "An meiner Tätigkeit für RTL ändert sich aus meiner Sicht nichts." Das läßt scheinbar alles offen, vor allem für verbesserte Angebote seiner Noch-Heimat RTL und entsprechende Fein-Justierungen seiner Neu-Heimat ARD.

RTL kalt erwischt

Für RTL haben solche vagen Aussagen zudem den Vorteil, dass sie in den kommenden Wochen Jauch als Moderator ihres Senders noch mal besser vermarkten können. Trotzdem wird der Sender ihn - nach Stand der Dinge - mittelfristig ganz verlieren. Die ARD-Oberen erwarten, dass jemand, der den wichtigen Sendeplatz von Sabine Christiansen übernimmt, ganz fürs öffentlich-rechtliche System steht. Allenfalls eine kurze Übergangsfrist soll es geben - so wie bei Sandra Maischberger, die zusätzlich zu ihrer ARD-Gesprächsrunde Menschen bei Maischberger eine Zeitlang noch ihren täglichen n-tv-Talk betreute. N-tv gehört zu RTL und damit zum Gütersloher Bertelsmann-Konzern, wo die jüngsten Entwicklungen sher besorgt wahrgenommen werden.

Für Erklärungen sorgen muss RTL-Chefin Anke Schäferkordt, die seit knapp einem Jahr im Amt ist. Die Betriebswirtin, eine exzellente Controllerin, arbeitet von morgens acht bis abends zehn. Von der Unzufriedenheit Jauchs mit seinen RTL-Aufgaben aber erfuhr sie wenig. Ihr Vorgänger Marc Conrad, der 100 Tage regierte, hatte mit Jauch über eine Talkshow gesprochen. Seitdem fehlte es wohl an kreativer Reibung. Als am Sonntag RTL zur Fußball-WM sendete und nachmittags eine Runde mit Jauch und Rudi Völler zeigte, lautete der Senderkommentar aus dem Off: "Es gibt nicht nur einen Rudi Völler, sondern auch nur einen Günther Jauch."

Gerhard Zeiler, Chef der RTL Group, hatte offenbar vorher aus der Branche erfahren, dass sich rund um den besten Mitarbeiter Jauch - der viele Programmplätze füllt - Arges tut. Am vorigen Dienstag informierte dann Jauch selbst über die ARD-Offerte. Am gleichen Tag tagten die ARD-Intendanten in Straßburg.

Mehr als nur Quizshow-Grimassen ziehen

Für den Not-Fall einer journalistischen Anfrage ließ Programmdirektor Struve eine Pressemitteilung vorbereiten. Der trat am Freitagmorgen ein, als die Süddeutsche Zeitung nach dem Geheim-Deal fragte. Vier Stunden später war der Text in der Welt.

Am Ende der 14-Uhr-Schaltkonferenz der ARD wurde Koordinator Hartmann von der Tann nach der News gefragt. "Ob Sie es glauben oder nicht", soll er geantwortet haben, "ich habe davon eben erst durch Meldungen der Agenturen erfahren. Ich weiß auch nicht mehr als Sie." Er habe versucht, mit Struve darüber zu reden, das sei nicht gelungen. Eine Quelle habe die Meldung aber "quasi" bestätigt. Hauptstadtstudio-Chef Thomas Roth wollte noch wissen, ob ein Talk mit Jauch von der Koordination Politik und nicht, wie jetzt, von der Koordination Unterhaltung beaufsichtigt werde.

Im NDR-Rundfunkrat stellte Plog den Wechselplan vor und sagte, Jauch sei "mit ganzem Herzen Journalist". Die Personalie überlagerte die Debatte um TV-Talkerin Christiansen, eine Struve-Entdeckung. Sie hatte zwar eine Option auf Verlägerung ihres Vertrages, andererseits sind die Marktanteile so schlecht, dass der NDR wohl das Sonderkündigungsrecht hätte bemühen können. Im Hamburger Sender war man ohnehin genervt von den oft satirischen Kommentaren in der Öffentlichkeit über die journalistischen Leistungen am Sonntag.

Dann doch lieber den Versuch mit dem Mann, der mehr kann, als nur Quizshow-Grimassen zu ziehen.

© SZ vom 26.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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