Großbritannien:Freiheit für Posträuber Biggs

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Gnade für Ronnie Biggs: Kurz vor seinem 80. Geburtstag kommt der weltbekannte, todkranke Posträuber nun doch aus dem Gefängnis frei.

Wolfgang Koydl, London

Gerade einmal zwei Monate ist es her, da lehnte der britische Justizminister Jack Straw es noch kategorisch ab, den berühmtesten Häftling Großbritanniens zu begnadigen: Ronnie Biggs, der letzte der überlebenden Posträuber, die vor 46 Jahren bei einem Überfall auf einen Postzug die Rekordsumme von 2,6 Millionen Pfund erbeutet hatten, müsse seine letzten Tage im Gefängnis verbringen.

Ronnie Biggs (re.), der letzte der überlebenden Posträuber, kommt nun doch auf freien Fuß. (Foto: Foto: AP)

Zur Begründung führte Straw damals an, dass der bald 80-Jährige keine Reue über seine Tat gezeigt habe. Auch die Bewährungsbehörden hatten festgestellt, dass er nichts in seinem Leben bereue. Darüber hinaus ist der Großteil der Beute aus dem Raub nie aufgefunden worden. Doch nun ist Biggs auf freiem Fuß, völlig überraschend - und unter dem Eindruck seiner Krankheit.

Bis auf die Knochen abgemagert

Biggs' Gesundheit habe sich seit der Entscheidung vom Juni derart verschlimmert, hieß es nun in einer Erklärung des Justizministeriums, dass einer Freilassung aus humanitären Gründen nichts mehr im Wege stehe.

Am Samstag wird er 80. Die letzten Wochen hatte er bereits in einem Krankenhaus in der ostenglischen Stadt Norwich verbracht - mit einer Lungenentzündung und einer gebrochenen Hüfte. Schon zuvor war er fast bis auf die Knochen abgemagert. Er konnte nicht mehr gehen und sprechen und musste durch einen Schlauch ernährt werden. Wenn er sich mitteilen will, pickt er einzelne Buchstaben aus einem Brett mit dem Alphabet.

Unter diesen Umständen hatte Biggs' Bewährungshelferin den Eindruck gewonnen, dass der Ex-Räuber gewiss keine Gefahr mehr für die Gesellschaft darstelle. Darüber hinaus hatten die Verwaltung und die Gesundheitsbehörden des Nordlondoner Bezirks Barnet sich bereit erklärt, die Kosten für die 24-Stunden-Pflege des alten Mannes zu übernehmen. Ein Pflegeheim dort liegt nicht weit entfernt von der Wohnung seines Sohnes. Nach dessen Angaben war es immer der größte Wunsch seines Vaters gewesen, noch einmal seine Heimatstadt London zu sehen und dort zu sterben. Dies dürfte ihm nun vergönnt sein.

Rache des Establishments?

Beobachter haben vermutet, dass eine gewisse Rachsucht des britischen Establishments hinter der hartnäckigen Weigerung stand, Biggs auf freien Fuß zu setzen. Mehr als 35 Jahre lang hatte er die Behörden genarrt.

Verurteilt zu 30 Jahren Haft war er nach nur 15 Monaten aus dem Londoner Gefängnis Wandsworth ausgebrochen und hatte sich nach einer Flucht rund um die Welt schließlich in Brasilien niedergelassen. Dort genoss er das Leben eines Privatiers, der regelmäßig die britische Presse zu Interviews empfing.

Erfolgreich verhinderte er seine Auslieferung nach Großbritannien. Zuletzt bewahrte ihn die Tatsache, dass er mit einer brasilianischen Staatsbürgerin ein Kind zeugte. Verarmt, nach Schlaganfällen erkrankt, und getrieben von Heimweh kehrte er 2001 freiwillig nach England zurück. Nach seiner Ankunft wurde er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh eingesperrt, das normalerweise für Schwerverbrecher und Terroristen reserviert ist.

Aus diesem kommt er nun pünktlich zum Jahrestag des Überfalls frei.

© SZ vom 07.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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