Glamorama:Verfluchte Oberflächlichkeit

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Gwyneth Paltrow hat ihre wilden Seiten offenbart. Ihr Punkrock-Charakter sei nichts fürs Filmgeschäft gewesen. Eine erstaunliche Kunst - die Abrechnung mit Hollywood als vorgetäuschte Selbstkritik.

Von Nadeschda Scharfenberg

Wer ein Problem mit Schimpfwörtern hat, sollte fünf Zeilen weiterspringen, denn es lässt sich leider nicht vermeiden, hier den Ausdruck "Arschlochkind" zu verwenden. Das Arschlochkind ist diese Woche groß rausgekommen, was daran liegt, dass es aus der Feder von Gwyneth Paltrow stammt, die eher für Entgiftungskochbücher als für giftige Flüche bekannt ist. Paltrow hat für den Telegraph einen Aufsatz über ihre Karriere nach der Karriere geschrieben. Zu ihrer Ehrenrettung ist zu sagen, dass sie den Kraftausdruck mit Sternchen verschönert hat. A**hole kid, sieht doch gleich viel feiner aus.

Das Erstaunliche ist, dass Paltrow, Tochter aus gutem Hause, sich mit besagtem Bäh-Wort selbst charakterisiert. "Ich habe immer mit diesem Punkrock-A****lochkind in mir gerungen, das sich nicht an Traditionen halten wollte", schreibt sie. Und meint damit: Sie habe im Laufe ihrer Schauspielkarriere öfter mal Leute verärgert. Was im Umkehrschluss nichts anderes heißt, als dass Hollywood, wo man ihr permanent den (oh nein, nicht schon wieder) A**** geküsst habe, nicht reif ist für Personen mit einem eigenen Willen. Deshalb macht die frühere Nummer vier auf der Hollywood-Topverdienerinnen-Liste seit ein paar Jahren was anderes.

Das Punkrock-Leben frei aller Filmfesseln sieht so aus: Paltrow ließ sich harmonisch scheiden und bereicherte die Beziehungsliteratur um den Terminus "bewusstes Entpaaren". Ferner gründete sie ein Lifestyle-Portal, auf dem sie einen Zahnpastatubenquetscher aus Silber oder Klopapier für 870 Euro als Weihnachtsgeschenke empfiehlt. Früher habe sie sich nur um sich selbst gekümmert, heute trage sie Verantwortung für 50 Mitarbeiter. Ade, Oberflächlichkeit.

Eine Hollywood-Abrechnung in Form einer vorgetäuschten Selbstkritik - diese Kunst beherrscht nicht jeder. Clint Eastwood mag es lieber direkt. Auch er zieht über jene Branche her, der er seine Berühmtheit zu verdanken hat. "Alles dreht sich nur noch um Blockbuster", mault er, "keiner erzählt mehr richtige Geschichten." Er schon. Komplettiert wird die Woche der Abrechnungen von Marijke Amado, die auch was zum Thema Oberflächlichkeit zu sagen hat. In den 90ern moderierte sie die Mini Playback Show, heute ist sie 62, betreibt wie Mrs. Paltrow ein Online-Business (Blumenversand) und findet das Fernsehen eintönig. "Die Einzigen, die man immer sieht, sind der ewige Jauch und der ewige Gottschalk", klagt sie, wobei sie den ewigen Elton vergisst. Sie selbst ist manchmal auch noch zu sehen, beim Promi Dinner, bei Promi Shopping Queen, Promi Big Brother oder Promi Frauentausch.

Die Tage der Abrechnung sind übrigens auch Tage der Premieren: Frau Paltrow wirft eine Modelinie auf den Markt, Herrn Eastwoods Film ist gerade angelaufen und Frau Amado bringt ein Theaterstück auf die Bühne. Zufälle gibt's!

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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