Die Älteren werden sich womöglich an den Spiegel-Redakteur Henry Glass noch erinnern. Glass, ein Deutsch-Nordire, war ein herrlicher Stilist, der über Frösche und Skispringer berichtete. Besonders geheimnisvoll schimmernde Perlen waren seine Reportagen über Königshäuser und Adel, er schrieb über die Hochzeit von Prinz Andrew und Fergie. Er schrieb über die Hochzeit von Charles und Diana, 650 Millionen Zuschauer weltweit. Das Interesse der Leute faszinierte Glass, aber weil jede Erkenntnis zwei Seiten hat, irritierte es ihn gleichzeitig auch. Wie die Themen Arbeitslosigkeit und Inflation zur Nebensache schrumpften angesichts der Frage, welches Geschenk die Bevölkerung den Brautleuten machen sollte. Eine Oma aus Brighton häkelte für Charles ein Paar Pulswärmer, "ein Rentner schickte eine Zehn-Pfund-Note: für Diana, damit sie sich was Schönes kauft".
Solche Fragen stellen sich vor der Traumhochzeit von Daniela Katzenberger und Lucas Cordalis nicht: Samstagabend zur Primetime im Epizentrum des Billigfernsehens, bei RTL 2. Dessen Stammpublikum weiß bereits, dass Frau Katzenberger Pulswärmer nicht braucht, die TV-Scheinwerfer strahlen intensiv genug. Die Hochzeit findet statt auf dem Petersberg in Bonn, und auch wenn die Veranstaltung live zu sehen sein wird, dürfte sie wie Suppe aus einer Konserve schmecken, weil Bunte, Gala und alle längst wissen, wie alles ablaufen wird. Die sogenannte Katze hat es ihnen gesteckt, deren Fans bereit waren, den romantischen Preis von 15 Euro für Tickets zur Hochzeit zu bezahlen. Ob sie dafür ein Stück Festtagstorte abkriegen, steht dahin. Die Torte ist rosa-weiß, der Grundton der Lebenstapete von Katzenberger und ihrer gedanklich im Gitterbettchen steckengebliebenen Anhängerschaft. Focus Online hat ein schönes Tortenfoto und erwähnt auch die Cake-Designerin, die Vita Provitina heißt. Welch ein Versprechen ist dieser Name.
Abgesehen davon ist der Sound der Berichterstattung über die Hochzeit so erwartbar wie die Hochzeit selbst. Die Braut werde "nicht mit ihren Reizen geizen" steht bei Focus Online, diese blasse Floskel fällt zurück hinter Henry Glass, der immerhin wusste, dass Andrews Braut Fergie "old thunderthigh" genannt wird, alter Donnerschenkel.
Das hat er 1986 geschrieben, zu Zeiten, als man noch Überraschendes bestaunen durfte. Inzwischen ist nicht mal das Privateste überraschend. Die Hochzeit als TV-Event schließt an jene Show von Johannes Baptist Kerner an, der sogar Hühnern ihr Geheimnis raubte, indem er ihnen - live! - beim Brüten zusah. Kerner hat sich übrigens gerade von seiner Ehefrau getrennt, hier fängt was an, dort hört was auf. Der große Glass hat nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass "Ja, ich will" auch nur eine Absichtserklärung ist, die von den Iren "the hard word" genannt wird, das schwere Wort.