"German Games":Bretter, die die Welt bedeuten

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An diesem Montag wird das "Spiel des Jahres" gekürt - Besuch bei einem nominierten Erfinder

Wolf Schmidt

Nur eine einzige Runde. Geht auch ganz schnell, verspricht Rüdiger Dorn. Schon hat er das Spielbrett auf den Tisch geknallt und die gelben und grünen Plastikfiguren ausgeteilt. "Fang du ruhig an", sagt der 37-Jährige. Eine halbe Stunde später ist das Spielbrett vollgebaut, mit Klöstern, Wirtshäusern und einer Burg in der Mitte. "Dann wollen wir mal sehen", sagt Dorn und zählt die Punkte. 116 zu 98. Er gewinnt.

In keinem anderen Land verkaufen sich Brettspiele so gut wie in Deutschland. In den USA nennt man sie sogar "German Games". (Foto: Foto: dpa)

Das war nicht anders zu erwarten. Denn schließlich hat er, Dorn, das Spiel erfunden: "Die Baumeister von Arkadia", ein Strategiespiel, bei dem die Teilnehmer eine mittelalterliche Stadt errichten. Je mehr Teile man beisteuert, desto höher die Punktezahl. Ein schönes Spiel. Und: eines der fünf nominierten Brettspiele für das "Spiel des Jahres". Am heutigen Montag wird der Gewinner des Preises von einer Fachjury bekannt gegeben.

Es ist der wichtigste Preis der Brettspielbranche, manche sagen: der wichtigste Spielepreis weltweit. Es geht dabei auch um Geld. Viel Geld. "Spiele des Jahres" sind Selbstläufer. Kauft die Oma dem Enkel ein Spiel, greift sie oft einfach zu dem mit dem roten Logo. Etwa 300.000 Exemplare mehr verkaufen sich von einem Brettspiel, das zum "Spiel des Jahres" gekürt wird. Normalerweise sind schon 25.000 Exemplare ein Erfolg.

Spiele zu erfinden, das sei einfach nur ein Hobby, sagt Rüdiger Dorn. "So wie andere Leute Joggen gehen." Hauptberuflich ist Dorn Lehrer an einer Wirtschaftsschule, unterrichtet BWL und Rechnungswesen. Das Einkommen reicht, um sich mit seiner Frau Maja und den drei Kindern in Pfofeld, einem 1500-Einwohner-Dorf in Franken, ein geräumiges Einfamilienhaus einzurichten. "Hier hat man seine Ruhe", sagt er. Dorn ist ein Stubenhocker, der anderen Stubenhockern das Stubenhocken versüßt.

Langeweile mit Monopoly

Seine Welt ist das Kellergeschoss, in das er nun auf Strümpfen hinuntersteigt. In Holzschubladen hortet Dorn Materialien, die er zum Spieleerfinden braucht: Tonpapier, bunte Pappe, leere Spielkarten, runde und eckige Spielfiguren, Würfel mit sechs, zwölf, zwanzig Augen. Auf einem Holztisch liegt ein Schuhkarton, darin Karten, auf die von Hand ausgeschnittene Totenköpfe und Feuerbälle geklebt sind. "Insel" heißt der Arbeitstitel des neuen Spiels, an dem er gerade bastelt. Genaueres will er nicht verraten: "Ganz geheim."

Seine ersten Spiele hat Dorn als Teenager erfunden, weil ihn diejenigen, die es damals in den Geschäften zu kaufen gab, langweilten: "Risiko", "Monopoly" - "diese ganzen Larifarispiele eben". Inzwischen hat er 15 Spiele veröffentlicht, bei allen großen Verlagen wie Kosmos, Hans im Glück oder Ravensburger. Seine größten Erfolge heißen "Goa", "Jambo" und "Louis XIV.". "Die besten Ideen kommen einem beim Autofahren", sagt Dorn. "Oder auch mal auf dem Klo."

Im Keller bewahrt er auch den Prototypen seines aktuellen Spiels auf. Oder das, was davon übrig ist: Ein graues Stück Pappe, auf das mit Bleistift Felder gezeichnet sind. Papierecken, auf denen "Kloster" oder "Wirtshaus" steht. Holzklötzchen mit bunten Punkten darauf. Ein Word-Dokument als Spielanleitung. Ein Verlag hatte das Spiel bereits abgelehnt, bevor Ravensburger es annahm. Spieleredakteure vereinfachten die Regeln noch etwas, feilten am Rahmen und am Namen. Dorn wollte das Spiel ursprünglich "Notre Dame" nennen und in Paris spielen lassen. Der Verlag wollte lieber eine fiktive Mittelalterstadt namens Arkadia. Das überzeugte Dorn am Ende: "Menschen tauchen am liebsten in fremde Welten ein."

Weltflucht und Heimeligkeit

Vielleicht ist es diese Mischung aus Weltflucht und Heimeligkeit, aus Eskapismus und Geselligkeit, die Brettspiele in Deutschland so erfolgreich macht. Etwa 350 Spiele kommen jedes Jahr neu auf den Markt. "Mehr als in jedem anderen Land", sagt Ernst Pohle, Vorsitzender des Verbandes "Fachgruppe Spiel". In den USA heißen Brettspiele deshalb einfach nur German Games. Selbst der Boom von "X-Box", "Playstation" und "Nintendo Wii" kann der Brettspielbegeisterung hierzulande nichts anhaben: Seit langem setzt die Branche stabil rund 400 Millionen Euro pro Jahr um.

Hauptberufliche Spieleerfinder - oder Spieleautoren, wie sie sich selbst nennen - gibt es aber bis heute nur eine Handvoll. Wolfgang Kramer etwa, der den Klassiker "Auf Achse" erfunden hat. Oder Klaus Teuber, dem 1995 mit "Die Siedler von Catan" das erfolgreichste Brettspiel der vergangenen Jahrzehnte gelungen ist. Allein in Deutschland, der Schweiz und Österreich hat es sich mehr als drei Millionen Mal verkauft, mit allen Erweiterungen sogar neun Millionen Mal.

So sehr Rüdiger Dorn Kollegen wie Kramer und Teuber schätzt: Vollzeit-Erfinder will er nie werden. Das würde bedeuten, sich von den Verlagen abhängig zu machen, möglicherweise auch Spiele erfinden zu müssen, die kommerziell erfolgreich, aber wenig kreativ sind. Irgendein Benjamin-Blümchen-Kartenspiel oder eine Erweiterung zur Erweiterung. "Spiele nur der Kohle wegen könnte ich nie machen", sagt er.

© SZ vom 25. Juni 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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