Gerichtsurteil:Letzte Unruhe

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Facebook muss das Konto eines verstorbenen Mädchens nicht freigeben - dies hat nun das Kammergericht entschieden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Was mit dem digitalen Dasein geschieht, wenn ein Inhaber diverser Accounts aus dem Leben scheidet, gehört in der Juristenwelt bisher zu den wenig geklärten Fragen. Nun hat das Kammergericht ein wichtiges Urteil zum Umgang mit Facebook-Konten Verstorbener gefällt. Tenor: Auch die nächsten Angehörigen erhalten keinen Zugang. Selbst dann, wenn sie wirklich gute Gründe dafür haben.

Geklagt hatten die Eltern eines Mädchens, das im Alter von 15 Jahren von der Berliner U-Bahn erfasst und tödlich verletzt worden war. Die Eltern quälen sich mit der Frage, ob sich die Tochter womöglich aus freien Stücken das Leben genommen hat; die Äußerungen des Lokführers deuten darauf hin. Sie erhoffen sich Gewissheit aus den Einträgen in ihrem Facebook-Konto - doch Facebook gewährt ihnen keinen Zugang. Das Konto wurde in einen "Gedenkzustand" versetzt, der den Facebook-Freunden der Toten zwar noch Einblick in die einstmals geteilten Inhalte gewährt. Den Eltern indes bleibt das Konto verschlossen.

Während das Berliner Landgericht den Eltern recht gegeben hatte, hat sich das Kammergericht nun auf die Seite des Unternehmens geschlagen - wenngleich die Richter mit dem Ergebnis hadern. Die Entscheidung sei ihnen nicht leichtgefallen, sagte der Vorsitzende Richter Björn Retzlaff. Die Richter sehen sich durch den Schutz des Fernmeldegeheimnisses gebunden, der Unbeteiligten nur ausnahmsweise Einblick gewährt - etwa aus technischen Gründen. Ein Zugang der Hinterbliebenen zum Facebook-Konto ist dagegen nicht im Gesetz vorgesehen. Die Richter sehen auch keinen Weg, den Eltern den Account zu öffnen, nicht einmal, weil die Tochter minderjährig war. Der Grund: Davon wären nicht nur ihre Kommunikationsinhalte betroffen, sondern auch die ihrer Facebook-Freunde - die aber nicht auf Vertraulichkeit verzichtet hätten. Die Richter verweisen ausdrücklich auf den Wortlaut des Telekommunikationsgesetzes.

Die Richter haben jedoch eine wichtige Frage unbeantwortet gelassen: ob man ein Facebook-Konto überhaupt vererben kann. Sie halten es immerhin für denkbar, dass die Erben gleichsam in den Nutzervertrag eines Verstorbenen eintreten. Allerdings nicht, um das Konto weiterhin aktiv zu betreiben, sondern nur, um "passive Leserechte" zu erhalten. Was aber eben bisher an den Paragrafen zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses scheitert. Die Eltern teilten mit, "tief enttäuscht" zu sein. Voraussichtlich wird das Urteil aus Berlin nicht das letzte Wort bleiben. Das Gericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, "aller Voraussicht nach" werde man dies auch machen, sagten die Anwälte der Eltern. Und weil es hier um Grundrechte geht, dürfte sich irgendwann das Bundesverfassungsgericht des Themas annehmen.

© SZ vom 01.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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