Gammelfleisch:Mit der Laserpistole gegen Gammelfleisch

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Wissenschaftler und Politiker suchen nach Methoden, die verdorbene Lebensmittel kenntlich machen

Martin Kotynek

Gräulich blass, vielleicht auch schon grünlich schimmernd liegt es in seinem eigenen Saft und verströmt dabei einen beißenden Geruch - so ekelhaft sieht Gammelfleisch in der Vorstellung vieler Konsumenten aus. Doch das Aussehen von Fleisch ist trügerisch.

Seit den Gammelfleisch-Skandalen fällt der Gang zum Dönermann nebenan nicht mehr ganz so leicht. (Foto: Foto: ddp)

Ein paar Tricks reichen aus, um aus einem mehrere Monate alten Stück Fleisch ein scheinbares Qualitätsprodukt zu machen. Begast man es mit Sauerstoff, bleibt die satte, rote Färbung lange erhalten. Manipuliert man das Etikett, wird aus Schlachtabfällen ein Lebensmittel. Dagegen haben Konsumenten bisher nichts in der Hand.

Das soll sich ändern. Mit einer Laserpistole sollen Verbraucher künftig an der Theke prüfen können, ob das Fleisch noch genießbar ist. Physiker der Technischen Universität Berlin entwickeln derzeit einen handlichen Scanner mit dem Namen Fresh-Scan.

"Mit dem bloßen Auge lässt sich nicht so leicht erkennen, ob Fleisch bereits verdorben ist. Im Laser-Spektrum sieht man es aber genau", sagt Heinar Schmidt vom Institut für Optik und atomare Physik der TU Berlin. Zwar ließe sich die Verderbnis auch riechen, doch häufig sind Fleischprodukte in Kunststoff verpackt. Die Laserpistole der Berliner Forscher soll hingegen auch durch die Verpackungsfolie hindurch funktionieren.

Anti-Gammel-Scanner

Das Gerät, das momentan noch so groß wie eine Bohrmaschine ist, schießt ein Laserlicht auf das Fleisch. Dort wird es von den Molekülen an der Oberfläche gestreut und zum Scanner zurückgeworfen. Das Muster dieser Streuung ändert sich, je nachdem, wie lange das Fleisch schon gelagert wurde. Erkennt die Laserpistole ein Muster, das typisch für Gammelfleisch ist, blinkt ein rotes Licht. "Wir können auch erkennen, ob das Fleisch schon einmal tiefgefroren war", sagt Heinar Schmidt. Beim Auftauen tritt Wasser aus den Zellen aus, wodurch sich das Muster der Lichtstreuungen ändert.

Mit Schweine- und Rindfleisch konnten die Forscher bereits Erfolge erzielen. Bei diesen Fleischsorten kann der Scanner bereits erkennen, ob ein Produkt noch genießbar ist. Nun konzentrieren sich die Physiker auf den ersten Einsatz im Schlachthof. Schon in zwei Monaten soll der Scanner transportabel sein. In zwei bis drei Jahren könnte die Laserpistole dann in den Supermärkten an der Fleischtheke bereitliegen. Auch eine Version für Konsumenten ist geplant. Theoretisch ließe sich der Scanner sogar so weit verkleinern, dass er in Zukunft in Handys eingebaut werden könnte, sagt Schmidt.

Damit Fleisch, das nicht für den Verzehr geeignet ist, erst gar nicht in den Handel kommt, sollen Schlachtabfälle von diesem Sommer an mit Farbe markiert werden. So wollen es die Verbraucherschutzminister von Bund und Ländern. Doch die Suche nach einem geeigneten Farbstoff gestaltet sich schwieriger als ursprünglich angenommen. "Wir dachten schon, den richtigen Farbstoff gefunden zu haben, doch nun müssen wir wieder ganz von vorn beginnen", sagt Manfred Coenen, der im Auftrag der Minister an der Universität Leipzig nach einer möglichen Markierung sucht.

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Auf der Suche nach einem geeigneten Farbstoff kann Manfred Coenen nicht jede beliebige Substanz verwenden - der Farbstoff muss als Lebensmittelfarbe zugelassen sein. Denn Schlachtabfälle wie Hufe, Hörner, Haut, Blut und Fette sind zwar für den menschlichen Verzehr ungeeignet, werden aber zu Katzen- und Hundefutter verarbeitet. Die Fleischabfälle werden auch für Kosmetika verwendet, die durch die Farbe nicht verändert werden dürfen.

"Wir müssen die Schlachtabfälle so kennzeichnen, dass sie nicht mehr als Lebensmittel für den Menschen verkäuflich, aber trotzdem für Haustiere noch genießbar sind", sagt Friedrich-Otto Ripke, Staatssekretär im Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium, das die Leipziger Studie finanziert. Die Markierung muss also einerseits unsichtbar und für Tiere unbedenklich sein, sich aber andererseits nicht durch Waschen oder Kochen ablösen lassen.

Nur sieben Farbstoffe erfüllen diese Kriterien, sagt Manfred Coenen, der sie nun einzeln prüft. "Manche scheinen zwar theoretisch gut geeignet zu sein, in der Praxis kann man sie aber nur schwer zu einer Lösung verarbeiten oder sie haften nicht an Lunge und Leber", sagt Coenen. Den größten Erfolg verspreche derzeit eine Kombination aus einem sichtbaren und einem fluoreszierenden Farbstoff. "Die Markierung wäre so lange sichtbar, bis das Fleisch zu Hundefutter weiterverarbeitet wird. Dann verblasst die Farbe, für Kontrollen könnte man sie aber unter Speziallicht sichtbar machen", sagt Coenen. Hat der Forscher einen geeigneten Farbstoff gefunden, will er ihn gemeinsam mit dem Tierfutterhersteller Mars testen. Spätestens im Sommer will Coenen damit fertig sein.

Damit ist Deutschland international führend bei der Erforschung von Färbetechniken für Schlachtabfälle. Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer und der niedersächsische Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke haben die EU-Kommission dazu aufgefordert, die Färbung in ganz Europa umzusetzen - bisher ohne Erfolg.

"Die EU will zuerst Erfolge sehen", sagt Ripke, "erst dann will die Kommission über eine europaweite Richtlinie nachdenken." Gibt es keine EU-weite Regelung, könnte die Färbung in Deutschland zum Eigentor werden. Tierfutterhersteller könnten Schlachtabfälle aus dem Ausland kaufen, weil sie dort nicht gefärbt sind. Dadurch würden die deutschen Schlachtbetriebe auf ihren Abfällen sitzenbleiben, warnt Ripke: "Das erhöht die Missbrauchsgefahr."

Die angestrebte Lösung der Verbraucherschutzminister hat noch einen Haken: Es gibt bisher keine Maschine, die Fleisch einfärben kann. "Wir sind noch auf der Suche nach einem Mechanismus, der automatisiert arbeitet und nicht manipuliert werden kann", sagt Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke, "jemand müsste eine solche Maschine erst entwickeln."

© SZ vom 8.2.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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