Fußball-Ikone:Uwe Seeler wird Ehrenbürger von Hamburg

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Wenn irgendwo ein bekanntes Gesicht für diese oder jene Veranstaltung gesucht wird - ein Anruf bei Uwe Seeler lohnt sich immer.

(SZ vom 27.11.2003) - Mit etwas Glück bekommt man von ihm sogar ein Zitat von geradezu Herbergerscher Klarheit wie dieses: "Das Geheimnis des Fußballs", sagte Uwe Seeler einmal, "ist ja der Ball."

Der Mann der schlichten Wahrheiten wurde nun in einen Rang erhoben, der bisher Schriftstellern, Kaufleuten, Politikern, Verlegern, Senatoren, Komponisten und Kanzlern vorbehalten war - sie alle stehen auf der kurzen Liste der Hamburger Ehrenbürger. Seit 1813, als man dem russischen General von Tettenborn auf diese Art für die Befreiung von der französischen Fremdherrschaft dankte, wurde das Ehrenbürgerrecht der Freien und Hansestadt Hamburg erst 30 Mal verliehen, am Mittwoch eben an Uwe Seeler als ersten Sportler.

Geehrt wird Seeler nicht für sein brillantes Spiel ("einfach drauf"), auch nicht für seine Weitsicht als Funktionär, die er durchaus manchmal vermissen ließ, als er Präsident des HSV war, des Hamburger Sportvereins. Geehrt wird Seeler, weil er immer geblieben ist: in Hamburg, auch als ihn das Ausland lockte, was die Hamburger in den Michel trieb, zum Beten, dass er nicht gehen möge. Das war Anfang der sechziger Jahre, als Inter Mailand ihm 900000 Mark für einen Wechsel bot, damals eine ungeheure Summe. Und doch, Seeler blieb daheim - allerdings nicht, ohne sich umgehend die adidas-Generalvertretung Norddeutschland zu sichern.

Doch den wachsenden Wohlstand neidete dem Arbeitersohn Seeler niemand. Sein Verzicht auf die Lire-Liga hatte den skandalfreien Fleißfußballer zur Ikone der Anständigkeit erhoben. Nie vergessen haben ihm die Hamburger zudem, dass er in einer Branche von Individualisten stets das Wir-Gefühl behalten hat, in seinen Mannschaften ebenso wie in seiner Stadt. Im Nomadentum Profifußball ist schon das allein die Ehrenbürgerschaft wert. Seeler schoss in 916 Ligaspielen mehr als 1000 Tore, und weil er nie den Verein wechselte, erreichte er im Fußball eine Popularität, an der alle seine Nachfolger gemessen wurden. So stufte der Sportreporter Gerd Rubenbauer die Beliebtheit Rudi Völlers einmal auf der offenen Seeler-Skala verwegen so ein: "Solche Rudi-Rufe gab es früher nur für Uwe Seeler."

Seeler, 67, erlangte seinen Ruhm in einer Zeit, die nicht mehr ganz die alte und noch nicht ganz die neue war. Mit seiner Ehrlichkeit, seinem Kämpferherz und seinem Fairplay hätte Uwe Seeler ohne weiteres 1954 seinen Platz unter den Helden von Bern gefunden, für die er zu jung war. Seine Lebensfreude, der routinierte Umgang mit Popularität und sein Geschäftssinn hätten den Kapitän der legendären 66er WM-Elf ebenso zum Idol der Gegenwart qualifiziert.

Er ist heute kein stiller Star, sondern ein Mann von fast unheimlicher Präsenz auf allen Galas. Und wahren Lokalpatriotismus zeigte der neue Ehrenbürger, als er zum Retter des maroden Erzkonkurrenten des HSV wurde, des FC St. Pauli. Für den trat er vergangenen Sommer absatzsteigernd als Kartenverkäufer auf.

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