Freigelassene Sahara-Geiseln:"Wir haben nie verzweifelt"

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Nach sechs Monaten zurück in der Heimat: Die in Mali freigelassenen 14 Sahara-Touristen sind am Mittwochmorgen wieder in Deutschland angekommen. Sie seien "ein bisschen müde jetzt, aber glücklich", erklärte eine Ex-Geisel. Die Bundesregierung will versuchen, die Leiche von Michaela Spitzer nach Deutschland zu überführen.

Um 07.22 Uhr landeten die neun Deutschen, vier Schweizer und ein Niederländer mit einer Bundeswehrmaschine in Köln.

Die Heimkehrer wurden von Angehörigen begrüßt, dann reisten sie innerhalb Deutschlands und in die Schweiz weiter.

"Wir sind sehr glücklich, sehr erleichtert, dass wir alles überstanden haben", sagte Ex-Geisel Witek Mitko.

Der Leiter des Krisenstabs der Bundesregierung, Staatssekretär Jürgen Chrobog, sagte, die Gruppe sei "sehr entspannt und euphorisch".

Gegen 01.50 Uhr deutscher Zeit war die Bundeswehrmaschine mit den Freigelassenen nach zahlreichen Verzögerungen in der malischen Hauptstadt Bamako gestartet.

Zuvor hatte sich die Gruppe bei einem Empfang im Präsidentenpalast bei dem malischen Präsidenten Amadou Touré für seine Vermittlung bedankt. Laut Chrobog sind alle Männer und Frauen in einem "außerordentlich guten Gesundheitszustand".

Die Männer und Frauen waren laut Chrobog in der letzten Phase der sechsmonatigen Entführung alle gemeinsam an einem Ort im Nordwesten Malis.

Eine Geisel, die gut französisch sprach, sei abgesondert worden, weil sie bei den Verhandlungen behilflich sein konnte. Die rund 500 Kilometer Autofahrt am Dienstag aus der entlegenen Wüstenregion in die Provinzstadt Gao sei für die Betroffenen wegen schlechter Pisten und schlechten Wetters "sehr strapaziös" gewesen, sagte der Staatssekretär.

Die Verstorbene Michaela Spitzer soll überführt werden

Zum Tod der Ende Juni in der Wüste an einem Hitzschlag gestorbenen 45-jährigen Michaela Spitzer sagte der Diplomat, die Bundesregierung kenne die Koordinaten des Grabes und wolle versuchen, die Leiche der zweifachen Mutter zurück nach Deutschland zu überführen.

Ihr Tod sei auch deshalb besonders tragisch, weil sich die damals vorausgegangene angespannte Versorgungslage und der Wassermangel schon einen Tag später wieder gebesssert habe.

Witek Mitko sowie das Ehepaar Kurt und Erna Schuster wurden in Augsburg begeistert empfangen. Sie seien "ein bisschen müde jetzt, aber glücklich", sagte Mitko. Von den Entführern seien sie gut behandelt worden, die Verpflegung sei ausreichend gewesen: "Makkaroni, Reis, Gries, Brot, schlechtes Wasser" - sie hätten nicht hungern müssen.

Immer wieder hätten sich die Urlauber in der Wüste Termine für ihre Befreiung gesetzt, erzählt Schuster. "Zuerst hofften wir auf Ostern, dann auf den Kommunionstermin unseres Enkels, dass wir frei kommen, aber es war nichts." Deshalb hätten sie auch gezweifelt, als ihnen vor zwei Tagen eröffnet wurde, dass sie tatsächlich frei gelassen werden sollen.

"Doch wir haben nie verzweifelt", sagt Schuster, der mit einem mächtigen, silbernen Vollbart nach Hause zurückkehrte. Die Geiseln sind körperlich in guter Verfassung. Nur erschöpft und müde sind sie. "Wir müssen die vergangenen sechs Monate selber erst einmal verarbeiten", weist Schuster Fragen ab und bittet vor einem Großaufgebot der Presse: "Bitte verschont uns jetzt."

"Die Entführer haben uns gut behandelt, wir sind in den sechs Monaten viel gefahren", sagt Mitko, kahlköpfig, braun gebrannt mit einem leichten Zwei-Tages-Bart. "Es hat keine Gewalt-Märsche über hunderte von Kilometern gegeben. Wir sind nur dort marschiert, wo man nicht fahren konnte", erzählt er.

Die ostwestfälische Stadt Detmold bereitete sich auf die Rückkehr des 46-jährigen Rainer Bracht vor. Der Berliner Christian Grüne wird den Angaben zufolge von der Polizei in Braunschweig betreut, wo seine Mutter wohnt. Sascha Notter aus Besigheim bei Ludwigsburg sei mit seinen Eltern einige Tage an einen geheimen Ort gefahren, hieß es.

Regierung in Mali plant keine Verfolgung der Geiselnehmer

Die vier Schweizer Ex-Geiseln flogen direkt weiter nach Zürich-Kloten. "Ich habe sie in guter Gesundheit gesehen, lachend, gesund", sagte Außenministerin Micheline Calmy-Rey anschließend.

Auf Fragen nach Lösegeldzahlungen und zu den Umständen der Befreiung ging sie nicht ein. Auch Bundeskanzler Schröder hatte sich am Dienstagabend nicht zu Medienberichten geäußert, wonach knapp fünf Millionen Euro Lösegeld bezahlt wurden.

Die elf Männer und drei Frauen waren zwischen dem 22. Februar und 8. März gemeinsam mit der verstorbenen Geisel in der südalgerischen Wüste verschleppt und am Montagabend im Norden Malis freigelassen worden. Eine weitere Gruppe von Geiseln war bereits Anfang Mai in Algerien freigekommen. Die Regierung in Mali erklärte, sie werde die Geiselnehmer nicht verfolgen.

(sueddeutsche.de/AP/dpa)

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