Flutkatastrophe:"Man fragt sich, wo die Menschen sind"

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UN-Generalsekretär Kofi Annan hat sich nach einem Besuch auf der Insel Sumatra tief erschüttert gezeigt über das Ausmaß der Verwüstungen: "Ich habe noch nie eine so vollständige Zerstörung erlebt."

"Noch nie zuvor habe ich eine derartige, vollständige Zerstörung gesehen", sagte der UN-Chef. "Man fragt sich, wo die Menschen sind, was ihnen passiert ist."

Blick aus einem Hubschrauber auf die Stadt Meulaboh. Kofi Anna: "Die Menschen haben angefangen, ihr Leben wieder zu organisieren." (Foto: Foto: dpa)

Er glaube aber, dass die Menschen mit Hilfe der indonesischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft mit der Zeit in der Lage sein werden, den Folgen der Flutkatastrophe Herr zu werden.

Annan besuchte nach eigenen Angaben die Stadt Meulaboh an der Westküste von Aceh, die von der Flut fast vollständig zerstört wurde. "Wir sahen dort, wie Menschen wieder anfingen, ihr Leben zu organisieren, und natürlich sagt das etwas über die seelische Belastbarkeit der Menschen aus", sagte Annan. "Aber sie brauchen noch viel Hilfe."

Psychologische Hilfe notwendig

Annan mahnte psychologische Hilfe für die Überlebenden an. "Wir haben viele traumatisierte Menschen gesehen", sagte Annan. Die Überlebenden benötigten nicht nur Unterstützung beim Wiederaufbau ihrer Häuser. Auch müsse ihnen geholfen werden, damit es nicht zu psychologischen Spätfolgen durch die Katastrophe komme.

US-Außenminister Colin Powell traf unterdessen von Indonesien kommend in Sri Lanka ein. Er wollte sich auch dort über das Ausmaß der Flutkatastrophe informieren.

Auch der britische Außenminister Jack Straw besuchte die Katastrophenregion. In Begleitung thailändischer Regierungsvertreter begab sich Straw zu den Stränden der thailändischen Ferieninsel Phuket und traf sich in einem Krankenhaus mit britischen Tsunami-Opfern.

Laut Straw kamen 49 Briten bei der Flutkatastrophe am Indischen Ozean ums Leben; 391 weitere Briten werden noch vermisst.

Indonesien rechnet inzwischen mit fast 114.000 Toten. Bis zum Freitag sei die Zahl der bestätigten Todesopfer auf rund 98.490 gestiegen, während 15.420 Menschen zunächst noch als vermisst gelten, sagte ein Sprecher der indonesischen Sozialbehörden in der Hauptstadt Jakarta. Bislang betrug die offizielle Opferbilanz 94.200.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums verloren mehr als 517.000 Menschen durch die Katastrophe auf Sumatra ihr Obdach. Insgesamt werden im Katastrophengebiet mehr als 200.000 Todesopfer befürchtet.

EU berät über Hilfsmaßnahmen

Derweil gingen die Bemühungen um eine Koordinierung der Hilfe für die Flutopfer weiter. Die Außen- und Entwicklungshilfeminister der EU wollten am Nachmittag in Brüssel über die notwendigen Maßnahmen beraten.

Neben der Soforthilfe sollten nach Angaben der Luxemburger Ratspräsidentschaft auch langfristige Strategien zum Wiederaufbau der Krisengebiete erörtert werden.

Dazu stand ein Vorschlag von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu regionalen Partnerschaften auf der Tagesordnung. Zudem wollten die EU-Staaten für die Geberkonferenz der Vereinten Nationen am kommenden Montag in Genf eine gemeinsame Position festlegen.

Das Welternährungsprogramm (WFP) erklärte, es benötige in den kommenden sechs Monaten 256 Millionen Dollar, um rund zwei Millionen Überlebende mit Lebensmitteln zu beliefern.

Die Organisation versuche, eine Million Überlebende in Indonesien zu unterstützen, 750.000 in Sri Lanka, 50.000 auf den Malediven und insgesamt 200.000 in anderen betroffenen Ländern.

Der für Hilfseinsätze zuständige UN-Koordinator Jan Egeland bezeichnete die Anlieferung von Hilfsgütern in den Norden und Westen von Sumatra als weiterhin schwierig.

Fehlende Straßen und schlechte Kommunikationsverbindungen stellten enorme Probleme dar. Über den Aufenthalt hunderttausender Menschen herrsche noch Unklarheit. Zugleich zeigte sich Egeland besorgt über die Sicherheitslage in der Provinz Aceh an der Nordspitze Sumatras. Es gebe Berichte über Entführungen und Versuche, Hilfsgüter zu stehlen.

An den Hilfseinsätzen beteiligte amerikanische und australische Soldaten äußerten sich zudem besorgt darüber, dass eine radikalislamische Organisation mit früheren Direktverbindungen zu alQaida ein Flüchtlingslager auf Sumatra errichtet hat.

Die Gruppe Laskar Mujahidin erklärte, sie werde die Soldaten nicht angreifen, solange diese sich ausschließlich auf humanitäre Aufgaben konzentrierten.

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