FKK an der Ostsee:Nackte Wut

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Kulturkampf an der Ostsee: In Swinemünde empören sich konservative Polen über deutsche FKK-Anhänger.

Thomas Urban

"Das ist Antireklame für uns!" Robert Karelus, der Pressesprecher des polnischen Ostseebades Swinemünde (Swinoujscie), ist sichtlich genervt, wenn er nach dem FKK-Strand vor seiner Stadt gefragt wird. Der ist inzwischen zu einem internationalen Problem geworden. Polnische Lokalpolitiker, an ihrer Spitze der nationalkonservative Stadtrat Edward Zajac, wollen ihn schließen lassen, denn den Körper öffentlich zur Schau zu stellen, sei ein Beweis von "Abartigkeit". Das Problem ist allerdings: Der FKK-Strand liegt zwar in Sichtweite des polnischen Swinemünde, aber auf deutschem Territorium.

Die deutsche Nacktbaden sind den polnischen Sittenwächter zu viel. (Foto: Foto: Istock)

Schon zu DDR-Zeiten trafen sich dort ganz legal die Anhänger der Freikörperkultur. Das haben sogar die Sittenwächter der Partei hingenommen, denn der Strand lag am Ende einer Sackgasse unmittelbar vor dem Grenzstreifen, niemand kam dort vorbei. Das blieb auch nach der deutschen Wiedervereinigung so.

Doch im vergangenen Dezember trat Polen der Schengenzone bei, die Grenzen fielen; somit wurde auch der Weg entlang des Strandes von Swinemünde in das deutsche Ahlbeck geöffnet. Und das sei seit dem Frühsommer ein Problem, behauptet Stadtrat Zajac, der der von den Kaczynski-Zwillingen gegründeten Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) angehört. Denn nun würden polnische Spaziergänger, die sich nichtsahnend auf kürzestem Weg zum Sonntagnachmittagskaffee nach Ahlbeck aufmachten, vom Anblick mecklenburgisch-vorpommerscher Nackter belästigt. Er forderte seinen Bürgermeister auf, für die Schließung des FKK-Strandes zu sorgen.

Damit schaffte es Zajac nicht nur in die Lokalzeitung, sondern sogar in die internationalen Medien. Das französische und das japanische Fernsehen waren da, China Daily berichtete über den Kulturkampf zwischen sittenstrengen polnischen Katholiken und textilfreien Deutschen. In der Tat stoßen am kleinen Strand zwischen Ahlbeck und Swinemünde zwei unterschiedlichen Traditionen aufeinander.

Die FKK-Bewegung in den deutschen Landen ist mehr als ein Jahrhundert alt, namentlich an den Ostseestränden wurde sie kultiviert. Daran konnte auch das DDR-Regime mit seiner rigiden öffentlichen Moral wenig ausrichten. In Polen war allerdings nie daran zu denken. Bis heute gibt es keinen polnischen Nudistenverband. Wohl gibt es aber private Zirkel, wo man sich hüllenlos trifft und ebenso wie die deutschen FKKler betont, dass dies den Geist befreie und nichts mit Sex oder Pornographie zu tun habe. So kamen also in der internationalen Presse FKK-Aktivisten zu Wort, die sich auf ihre Grundrechte beriefen, die von Freiheit sprachen und den Polen Hinterwäldlertum sowie Verklemmtheit vorwarfen.

Freier Geist und FKK-Tourismus

Diese Berichte sind es, die den Swinemünder Pressesprecher Karelus in Fahrt bringen. Seine Gereiztheit richtet sich allerdings nicht gegen die Nacktbader, sondern gegen seine eigenen Landsleute um den PiS-Stadtrat Zajac. Denn im Rathaus des Seebades haben die Liberalen das Sagen. Karelus erklärt, dass die Stadt nicht daran dächte, Schritte gegen die deutschen Nackten zu unternehmen. Dies sei nicht nur rechtlich unmöglich, sondern es widerspräche auch dem "freien Geist", auf den man in Swinemünde Wert lege. "Wir konkurrieren hier um Touristen mit den Badeorten am Mittelmeer, wo es kein Problem ist, dass sich Frauen oben ohne sonnen", sagt er. Also könne man auch mit Leichtigkeit einen ausgewiesenen FKK-Strand dulden. Somit hat Karelus mit wenigen Worten ein internationales Problem gelöst. Und Zajac, den Vertreter der lokalen Opposition, zum Schweigen gebracht.

Um das Problem endgültig zu lösen, haben sich die Kommunalverwaltungen beider Seiten geeinigt, Hinweisschilder in beiden Sprachen in gebührendem Abstand vor dem umstrittenen Strandabschnitt aufzustellen. So könne jeder, dem der Anblick nackter Menschen Pein bereite, rechtzeitig umkehren. Auch die Nacktbader haben Kompromissbereitschaft gezeigt: Sie schirmen sich mit Sichtblenden ab. Vor allem verzeichnen sie einen Zustrom von Osten. Aus Swinemünde kommen immer mehr Spaziergänger, ziehen sich ebenfalls aus und sonnen sich hüllenlos. Längst gab es die erste deutsch-polnische Nudistengrillparty.

Die meisten polnischen Zeitungen berichten entspannt oder sogar belustigt über den Kulturkampf. Sie lassen Landsleute zu Wort kommen, die die ganze Aufregung für völlig übertrieben halten. Ein junger Mann bedauerte, dass es an dem Nacktbadestrand kaum junge Leute gebe: "Die meisten Nackten dort haben Speckgürtel und sind gar nicht so schön anzusehen."

© SZ vom 05.08.2008/viw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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