Fasching fatal:Ein Superheld zu viel

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Mein schlimmstes Faschings-Erlebnis: Einmal und nie wieder - keine Frau der Welt bringt mich ein zweites Mal in ein Batman-Kostüm.

Von Dennis Plauk

Batman. Ausgerechnet Batman. Ich hätte als Cowboy mit einem Plastikcolt 'rumballern können, hätte als Ritter ein mächtiges Schwert getragen. Ich hätte mir als Pirat einen Bart ankleben können und damit ausgesehen wie ein Erwachsener. Aber ich war neun und dachte, man müsse zu schärferen Waffen greifen, um Frauen zu imponieren. Ich wollte die Welt retten. Ich brauchte ein Fledermausmann-Kostüm.

"Oma näht dir eins", meinte meine Mutter. Na, prima! Ich sah mich schon am Faschingstag über den Schulhof stehlen, gehüllt in ein schlabberig weites schwarzgefärbtes Bettlaken, hoffend, inkognito zu bleiben, doch dann ob meiner großzügig ausgesparten Gucklöcher von hämischen Mitschülern der übelsten Art entlarvt. "Sag mal, als was gehst du denn?" - "Als Batman." - "Wann? Nächstes Jahr?"

Retten wollte ich die Welt, nicht auf eigene Kosten zum Lachen bringen. Dankend aber bestimmt lehnte ich Omas gutgemeintes Angebot ab.

Gefühlte acht Wochen (in Wahrheit waren es wohl nicht mal zwei) zerrte ich meine Eltern durch die Karnevalsabteilungen der Kaufhäuser. In unserer Stadt. In jeder benachbarten Stadt. Und in jeder benachbarten Stadt aller benachbarten Städte unserer Stadt. Am Abend vor dem großen Tag - der Faschingsparty in unserer Klasse - hatten meine Eltern fast alle Nerven verloren, doch ich war noch immer ohne Kostüm.

Als wir den letzten Laden der letzten Stadt kurz vor Geschäftsschluss betraten, widerfuhr mir - und damit wohl auch meinen Eltern - ein Wunder: Ein Batman-Kostüm hing da, so wie Val Kilmer es im gerade angelaufenen Kinofilm getragen hatte. Nur etwas kleiner. Etwas viel kleiner. "S" prangte Unheil versprechend auf dem Kleidungsetikett.

"Na, das wird uns wohl nicht passen, junger Mann", griente sadistisch die feiste Verkäuferin, "und da es das letzte ist, müssen wir uns wohl für etwas anderes entscheiden." Gerade wollte sie eine der unsäglich peinlichen Clownsmasken herbeiholen, als mein Vater - sei es aus Mitleid, sei es aus dem Willen, den Albtraum Kostümsuche endlich zu beenden - beherzt eingriff: "Versuchen wir's doch trotzdem mal."

Es passte perfekt. Zumindest gab ich das vor. Nachdem ich mich in der Umkleidekabine mühsam hineingezwängt, ein verlegen gemurmeltes "Okay" durch den Vorhang geschickt und mich noch mühsamer wieder herausgezwängt hatte, gingen wir zur Kasse, zahlten und ließen die Superheldenkluft eintüten. Der nächste Tag würde meiner werden...

Ich schwitzte schon am Frühstückstisch in meinem engen Anzug. Und als ich mein Batmobil aus der Garage rollte (das in Wahrheit ein schnödes Kinderrad mit mittelschwerer Acht war), kniff das Kostüm bereits so arg im Schritt, dass ich noch einmal ins Haus hastete, um die Montur zu richten. Entgeistert blickte mir meine Mutter nach. Ich sagte nichts und verschwand.

Die anderthalb Kilometer zur Schule waren die Hölle. Aber die Hölle war nichts gegen das, was dann folgte. Als ich an der Schule ankam und vom Rad stieg, tippte mir Gregor auf die Schulter. Der Sportler, der Mädchenschwarm unserer Klasse. "Hey, willkommen im Club!", feixte er durch eine Batman-Maske, die wie auf ihn zugeschnitten wirkte.

Ich fand das gar nicht witzig. Diese Stadt hatte nur Platz für einen Superhelden, und wer am Ende das Nachsehen haben würde, stand bereits fest. Ich hinkte über den Schulhof (eine ausgefeilte Technik, damit's nicht allzu schmerzhaft kniff), er hüpfte wie ein junger Gott voran. Gregor scharte die Mädchen um sich, erntete von den Jungs neidvolle Blicke und nahm am Ende die hehre Auszeichnung fürs beste Kostüm unserer Klasse in Empfang. Ich stand nichtmal in der Top Five.

Am Nachmittag kam ich niedergeschlagen nach Hause. Was denn los sei, sorgte sich meine Mutter. Ich hätte Bauchschmerzen vom vielen Süßkram, schnaufte ich durchs Treppenhaus. Oben in meinem Zimmer zog ich mich aus. Es schmerzte, es brannte. Minutenlang. Dann aber war ich befreit. Von meinem Kostüm - und von all den trügerischen Glücksvorstellungen, die ich je mit einem Fest namens Fasching verbunden hatte. Es war das letzte Jahr, in dem ich mich verkleidet habe. Das letzte überhaupt, in dem ich Karneval gefeiert habe.

Immerhin, das mit den Frauen hat sich später doch noch ergeben. Und ich habe es nicht ohne ein Gefühl der Genugtuung aufgenommen, als mir letzthin ein alter Freund berichtete, er habe nach langen Jahren Gregor - den Sportler, den Mädchenschwarm unserer Klasse - getroffen: "Du würdest ihn kaum wieder erkennen. Richtig dick ist der geworden."

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