Extremsport:"Menschenfleisch gehört gequält, solange es noch warm ist"

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In Osttirol gibt es einen der härtesten Team-Wettbewerbe für Extremsportler - wer hier mitmacht, darf keine Tortur fürchten.

Von Thomas Becker

Manfred Rauch ist sauer. "Das war ja gar nix, überhaupt nicht steil genug. Ich bin gar nicht müd', konnt' mich gar nicht ausgeben." Er ist gerade 16 Kilometer bergauf gelaufen, 1400 Höhenmeter, in einer Stunde 42 Minuten - ganz schön flott für einen 43-Jährigen.

Und doch ärgert sich der Mann mit Startnummer 100: "Auf der anderen Strecke wär' ich bestimmt unter den Ersten gewesen." Die zuerst geplante Route ist nur zwölf Kilometer lang, führt aber auf 2441 Meter. "Das ist eine Strecke", sagt Rauch, "da geht's auf allen Vieren, über Bäume und Latschen, durch urwaldähnliches Gebiet, 300 Höhenmeter auf 900 Meter - so muss ein Berglauf sein."

Doch das ist nur Teil eins des ziemlich verrückten Rennens: Es folgen: ein Paraglider, ein Kanute und ein Mountainbiker - "Dolomiten-Mann" ist einer der härtesten Teamwettbewerbe für Extremsportler.

Auf die Idee kam einer, der sich früher nicht extrem geplagt hat: Werner Grissmann, in den Siebzigern Ski-Abfahrtsläufer im Schatten von Franz Klammer, 1978 immerhin WM-Dritter.

Er galt als begabt, aber faul, trug den Titel "Zwischenzeit-Weltmeister", weil ihm im zweiten Abschnitt meist die Puste ausging. Heute sagt der 51-Jährige: "Ich habe viele Leute kennen gelernt, die sich gerne quälen. Für die wollte ich eine Plattform schaffen, damit sie sich selbst verarschen können."

Und sie kommen in Scharen: 110 Teams je vier Mann (keine Frauen) aus elf Nationen, 40 Mannschaften musste man absagen. Ein 63-Jähriger ist dabei, ein Weltrekordler im 24-Stunden-Berglauf, einer mit Gipsarm, einer mit gebrochener Rippe. Snowboard-Weltmeister Sigi Grabner formuliert es so: "Menschenfleisch gehört gequält, solange es noch warm ist."

Vor 16 Jahren gingen in Lienz in Osttirol die ersten Dolomiten-Männer an den Start. Die Routen haben sich geändert, die Grundidee blieb: Es dem Athleten möglichst schwer machen. Der Paraglider darf nicht gemütlich zu Tal segeln, sondern muss auf halbem Weg zwischenlanden, samt Schirm noch mal 100 Höhenmeter zum zweiten Start hecheln.

Im Tal übergibt er an den Kanuten, der erst durch die heftige Strömung der Drau zum Boot schwimmen muss. Mit dem muss er sieben Meter in die Tiefe springen. Dann geht's erst los: Slalom, Eskimorolle, Aufwärtspassagen, ausbooten, umtragen und mit dem 20-Kilo-Kanu die Uferböschung hinauf.

Nach dieser Tortur gingen alle in die Knie oder schnappten auf dem Rücken nach Luft, darunter Weltmeister und Olympiasieger. Die Aufgabe für die Mountainbiker klingt überschaubar: hoch und runter.

28 Kilometer, 1400 Höhenmeter, Durchschnittsgefälle 28,4 Prozent. Die letzte Passage ist im Winter eine schwarze Piste. Viele, die hier nach 90-minütiger Strapaze mit 70 km/h den Hang runterdonnern, sind von Stürzen gezeichnet.

Griff zur Sauerstoff-Flasche

Auf das letzte Team musste man lange warten: "Six Pack United" trudelte nach siebeneinhalb Stunden ein - fast vier Stunden nach den zwei schnellsten Mannschaften.

Manfred Rauch und sein Team werden Siebte - und der Zillertaler hadert mit der Streckenänderung. "Im Steilen hätt' der Kenianer nie gewonnen", grantelt Rauch."

20 Minuten war der Afrikaner schneller als Rauch, hatte die Konkurrenz zu einem solchen Tempo gezwungen, dass der hoch gewettete Vorjahressieger oben erst mal zur Sauerstoffflasche griff. "Der war weiß wie die Wand", sagt Rauch.

Nächstes Jahr will er wiederkommen: Rauch, von Beruf Schmucksteinschleifer, ist der einzige, der alle "Dolomiten-Männer" mitgemacht hat, erst als Läufer, dann als Mountainbiker und nach einem Oberschenkelhalsbruch wieder als Läufer. Die 20 will er voll machen.

Vielleicht ist er ja bei der nächsten Variante des Dolomiten-Mann dabei, dem Table-Mountain-Man. Organisator Grissmann will nächstes Jahr zwölf Teams den Tafelberg in Kapstadt hinaufhetzen. Statt Kanu gibt es Drachen-Surfen vor Robben Island.

(sueddeutsche.de)

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