Ex-Senator Kusch leistet Sterbehilfe:Herr über Leben und Tod

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Der ehemalige Hamburger Justizsenator Kusch hat einer Frau beim Sterben geholfen. Die Kritik und eine mögliche Strafverfolgung fechten ihn nicht an. Im Gegenteil: Er würde es wieder tun.

Der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch hat nach eigenen Angaben am Samstag in einem Fall Sterbehilfe geleistet. Seinen im März vorgestellten Selbsttötungsautomaten hat die gestorbene knapp 80-jährige Frau aus Würzburg allerdings nicht verwendet, sagte Kusch in Hamburg.

Der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch hat einer Frau aus Würzburg beim Sterben geholfen. (Foto: Foto: ddp)

Kusch hatte Ende März einen selbstentwickelten Selbsttötungsautomaten für Sterbehilfe vorgestellt und angekündigt, das Gerät bei den Patienten aufbauen und diese beim Sterben begleiten zu wollen.

Daraufhin habe sich die jetzt gestorbene Frau bei ihm gemeldet, die nun aber aus medizinischen Gründen giftige Substanzen, ein Malaria-Medikament und ein Beruhigungsmittel, eingenommen habe, ohne den Automaten zu verwenden, sagte Kusch.

Um den freien Willen der Frau für die Selbsttötung zu demonstrieren, zeigte Kusch auf Video aufgezeichnete Interviews mit der früheren Röntgenassistentin. Sie habe nicht an einer unheilbaren Krankheit oder unter permanenten unerträglichen Schmerzen gelitten, aber sie habe Angst davor gehabt, ins Pflegeheim zu müssen.

Die Rentnerin selbst sagte in dem Video: "Ich kann nicht sagen, dass ich leide." Aber sie könne sich nur noch sehr schlecht selbst versorgen. Etwa das Essen: "Es ist eine Pflicht, weil ich bis zum Tode am Leben bleiben muss."

Die Rentnerin sagte, Kusch trete in Deutschland für Sterbehilfe ein. Dies wolle sie unterstützen. An den früheren Justizsenator gewandt sagte sie in dem Video: "Wenn Sie dadurch, dass Sie mich bis kurz vor meinem Tod begleiten, irgendwann einmal Argumente haben, die unsere trägen und völlig danebenliegenden Politiker dazu bringen, die Gesetze zu ändern, dann wäre im Grunde genommen mein Tod ein Vorteil für andere Menschen."

Es "ist eines freien, modernen, aufgeklärten Landes unwürdig, seine besonders hilfsbedürftigen, bemitleidenswerten Menschen am Ende ihres Lebens zum Sterben nach Zürich zu schicken", begründete Kusch seine Aktion. Er habe nach Abwägung der Rechtslage "Worten auch Taten folgen lassen".

Von der Möglichkeit, die Rentnerin von ihrem Entschluss abzubringen, habe er nicht Gebrauch gemacht. "Für mich war das Entscheidende, ob der Sterbewunsch von Frau S. für mich plausibel war."

Die Vorstellung, dass es eine moralische Pflicht gebe, Menschen mit einem Sterbewunsch davon abbringen zu wollen, "ist per se zunächst mal eine Missachtung und Respektlosigkeit".

Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten. Manche Sterbewillige fahren deshalb in die Schweiz, um sich etwa beim Verein Dignitas beim Sterben helfen zu lassen. Aus diesem rechtlichen Grund hatte Kusch Ende März eine Apparatur vorgestellt, die nach dem Muster der in den USA umstrittenen Giftspritze funktioniert und es dem Patienten ermöglicht, den Auslöser selbst zu betätigen.

Die Deutsche Hospiz-Stiftung reagierte empört über den ehemaligen Hamburger Senator. Es gehe Kusch nur um die öffentliche Aufmerksamkeit, sagte der Vorstand der Deutschen Hospiz-Stiftung, Eugen Brysch, der Nachrichtenagentur AP.

"Es gibt ein Recht auf Leben, es gibt auch ein Recht auf Sterben, es gibt aber nicht das Recht auf Tötung", sagte er.

Kusch hätte als Justizsenator in Hamburg viele Möglichkeiten gehabt, sich für ein gutes Patientenrecht einzusetzen, kritisierte Brysch. Er habe diese aber nicht genutzt, sondern er habe sich auf das Sterben auf Verlangen konzentriert.

Brysch betonte: Politik und Gesellschaft dürften nicht "einem politischen Amokläufer aufsitzen, der scheinbar aus tiefstem Narzissmus die Angst der Menschen vor Pflege missbraucht, nur um öffentliche Aufmerksamkeit auf seine eigene Person zu lenken".

Ginge es Kusch um eine politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung um Würde am Lebensende, müsste er vielmehr auf die Bedingungen alter Menschen eingehen. "Durch seine selbstgerechte und pervertierte Art disqualifiziert er sich selbst: Kusch als Exekutor? Nichts berechtigt diesen Mann, sich zum Herr über Leben und Tod aufzuschwingen."

Nach deutscher Rechtslage sei es nicht strafbar, wenn jemand bei dem Selbstmord eines Menschen dabei sei, sagte Brysch. Die Frage sei, wer der Person das tödliche und in Deutschland verbotene Mittel besorgt und gebracht habe. Dabei handele es sich um einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, und es sei die Frage, ob die zuständige Staatsanwaltschaft den Mut habe, diesen Punkt zur Anklage zu bringen.

Suizid-Vermittlung beschäftigt Bundesrat

Brysch erinnerte daran, dass sich der Bundesrat in seiner Sitzung am Freitag mit dem Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der kommerziellen Suizid-Vermittlung beschäftigen werde.

Er hoffe, dass eine entsprechende Gesetzesvorlage in den Bundestag eingebracht werde, sagte Brysch. "Ich bin der Überzeugung, dass wir diese Abstimmung brauchen", sagte er.

Kusch kündigte an, er werde weiterhin Sterbehilfe leisten. Kriterien, wonach er seine Patienten aussuche, nannte er nicht. Er sagte jedoch, dass er etwa einem 20-Jährigen, der aus Liebeskummer aus dem Leben scheiden möchte, nicht helfen würde.

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