Esskultur in Deutschland:Billiger, schneller, schaler

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Die Globalisierung macht auch vor dem Essen nicht halt: Warum die gute Küche in Deutschland trotz einiger Spitzenköche im Niedergang begriffen ist.

Von Gottfried Knapp

Das hören wir nun schon seit Jahren in allen Nachrichtensendungen: Unserer Wirtschaft würde es gar nicht so schlecht gehen, wenn die Deutschen nicht so geizig wären, wenn sie ihr Geld wieder so ausgeben würden wie noch vor ein paar Jahren.

Auf dem Rückzug: Menüs, wie sie etwa Fernsehkoch Johann Lafer anbietet. (Foto: Foto: AP)

Dieser Satz trifft im Grunde auch zu, wenn man auf die fundamentale Krise in der kulinarischen Kultur Deutschlands und Europas zu sprechen kommt. Die massiven Verschiebungen, die sich im Wirtschaftssystem beobachten lassen - sie lassen sich seit einiger Zeit auch in der Gastronomie im Wortsinn mit Händen greifen.

Dass die beiden reichsten Menschen Deutschlands, die Aldi-Brüder, ihre Euro-Milliarden ausschließlich mit Billigstangeboten zusammengeschaufelt haben, und dass in ihrem Verfolgerfeld fast nur Inhaber ähnlich brutal kalkulierender Handelshäuser auftauchen, das bezeugt auf niederschmetternd deutliche Art, mit welchen Methoden in dieser Welt noch Gewinne zu machen sind.

...wer nie ein Brot mit Tränen aß

Zu der Vorstellung, dass es in jenem Bereich des Kommerzes, in dem nur der schwach entwickelte Geschmackssinn zu Rate gezogen wird, weniger rabiat zugehe, kann sich nur verirren, wer nie sein Brot mit Tränen aß, wer nie mit den kapitalen Veränderungen im gastronomischen Gewerbe konfrontiert war, wer nie gelitten hat unter dem Massensterben anspruchsvoller Restaurants und bewährter Lieblingskneipen.

In München, wo mehr Geld in der Öffentlichkeit ausgegeben wird als sonst in Deutschland, haben sich die atmosphärischen Veränderungen früher und dramatischer bemerkbar gemacht. Was hier längst Tatsache ist, wird anderswo erst allmählich spürbar.

München, das einmal als kulinarisches Zentrum Deutschlands, als Wallfahrtsort der Gourmets beneidet worden ist, hat in den letzten Jahren fast sein ganzes Renommee verloren. Nicht weniger als acht gefeierte Sterne-Köche - unter ihnen Leute, die Geschichte schrieben - haben hier innerhalb kürzester Zeit aufgegeben. Und einigen anderen Köchen sind die Sterne aberkannt worden.

Schuld an diesem Schwund sind nicht nur die kräftigen Einbußen der Renommierlokale durch den Ausfall von Arbeitsessen. An den Kern des Problems kommt man erst heran, wenn man zugibt, dass mit anspruchsvoller Küche allein nur sehr schwer Gewinn zu machen ist.

Am Fließband hergestelt: Sushi. (Foto: Foto: AP)

Mit einem von Meisterhand aus besten Zutaten zubereiteten Hauptgang, der den Gast mehr als 20 Euro kostet, ist in der Regel weniger verdient als mit einem normierten Fleischklops, den eine Hilfskraft auf eine heiße Platte legt und dann in einen schlaffen essbaren Handschuh steckt.

Entsprechend verschieben sich seit einiger Zeit die Kategorien. Lokale, die sich um eine differenzierte Küche bemühen, bewegen sich, wie die Verlustquote zeigt, immer häufiger am Rand des Ruins. Auch nationale Renommierlokale - Italiener oder Franzosen - können nicht mehr mit dem blinden Vertrauen rechnen, das ihnen die Deutschen, selbst bei mäßigen Leistungen, lange Zeit entgegengebracht haben.

Zuwachsraten nur im Fast-Food-Bereich

Zuwachsraten gibt es nur noch in der Fastfood-Branche, zu der auch kerzendüstere Grillstationen, grottenhaft finstere Pizza-Kulträume, vor allem aber die allerorts aus dem Boden schießenden Sushi-Fließbänder und Thai-Imbisse gehören, in denen die Burger-Cola-Generation zum zivilen Essen und Trinken aufschließen will.

Dass man nirgendwo teurer isst, als dort, wo man ein paar Cent zu sparen glaubt, darüber wird man in unseren Schulen leider nicht aufgeklärt. All diese Lokale können ja auf Küchen und Köche verzichten und müssten darum viel billiger sein.

Eine große Pizza zu zwölf Euro wird in 20 Sekunden aus Material zusammengeschichtet, das kaum mehr als einen Euro wert ist. Der Arbeitsaufwand bei Sushi ist kaum größer. Entsprechend größer sind nur die Gewinne.

Ärgerlich ist die gewinnträchtige Primitivisierung importierter Essmethoden nicht nur, weil sie überall in der Welt heimischen Traditionen das Überleben schwer macht - sondern auch, weil sie ein groteskes Zerrbild jener vielfältigen kulinarischen Kulturen bietet, denen die Schnellgerichte entstammen.

© SZ vom 14. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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