Erdbebenkatastrophe in China:Bis zu 20.000 Tote befürchtet

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Bei dem schwersten Erdbeben in China seit drei Jahrzehnten steigt die Zahl der Toten dramatisch. In einer einzigen Stadt wurden mindestens zehntausend Bewohner verschüttet.

Nach dem schwersten Erdbeben in China seit 30 Jahren befürchten die Behörden bis zu 20.000 Todesopfer. Bis Dienstag wurden 10.000 Tote bestätigt. Allerdings berichteten die staatlichen Medien, allein in Mianzhu seien noch weitere 10.000 Menschen unter den Trümmern verschüttet. Bisher gibt es noch keine Erkenntnisse darüber, ob auch Deutsche verletzt oder ums Leben gekommen sind. Die chinesische Regierung teilte mit, sie nehme ausländische Hilfe im Katastrophengebiet an.

(Foto: Grafik: SZ)

Mianzhu liegt rund 100 Kilometer vom Epizentrum entfernt. 1.300 Rettungshelfer und Soldaten erreichten unterdessen das Zentrum des Bebens im Bezirk Wenchuan. Die Region war seit dem Erdstoß der Stärke 7,8 vom Montag von der Außenwelt abgeschnitten.

Fast alle Opfer des Bebens wurden nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua in der zentralen Provinz Sichuan registriert. In drei Nachbarprovinzen sowie in der Mega-Stadt Chongqing am Jangtse seien etwa 300 weitere Menschen ums Leben gekommen. Ferner gebe es tausende Verletzte, und unzählige Menschen würden noch vermisst.

Regierungschef Wen Jiabao sagte, die Lage sei schlimmer als anfangs befürchtet. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), boten Hilfe an.

Zehntausende in der schwer betroffenen Provinz Sichuan in Südwestchina waren obdachlos. Dringend werden Trinkwasser, Medizin, Zelte und Nahrungsmittel benötigt. Regenfälle erschwerten das Schicksal der Obdachlosen. Die Volksbefreiungsarmee hat mehrere zehntausend Soldaten ins Katastrophengebiet entsandt.

Das Schicksal von einigen hundertausend Menschen war ungeklärt, da mehrere Regionen von der Außenwelt abgeschnitten waren. In der 60.000 Einwohner zählenden Stadt Mianzhu, wo rund 1000 Menschen ums Leben kamen, wurden noch 5000 Menschen in den Trümmern vermisst.

85 Prozent der Häuser eingestürzt

Ähnlich war die Lage in der Stadt Shifang, wo 600 Menschen ums Leben kamen und noch 2300 Opfer als verschüttet galten. Unter den Vermissten waren 920 Schüler, wie die Staatsagentur Xinhua berichtete. Im Landkreis Anxian nahe der Stadt Mianyang kamen 500 Menschen ums Leben. 85 Prozent der Häuser waren eingestürzt.

Zahlreiche Kleinstädte in der Region wurden dem Erdboden gleichgemacht. In Shifang, wo das Beben einen Chemieunfall auslöste, kamen laut Xinhua rund 600 Menschen ums Leben. Ob die Chemikalien zum Tod der Betroffenen beitrugen, war zunächst unklar.

In der Zehn-Millionen-Stadt Chengdu wurden Strom- und Fernmeldemasten zerstört, so dass weite Gebiete im Dunkeln lagen. Wegen Erdrutschen waren viele Straßen unpassierbar, und die Rettungskräfte gelangten nur sehr mühsam ins Katastrophengebiet.

Häuser, die während des Bebens nicht einstürzten, waren häufig unbewohnbar. Hunderte Menschen verließen am Dienstag die Stadt Dujiangyan. Sie trugen Koffer oder Plastiktüten mit Lebensmitteln bei sich. "Meine Ehefrau ist bei dem Beben getötet worden", sagte der 70-jährige Zhou Chun. "Mein Haus wurde zerstört. Ich gehe nach Chengdu, aber ich weiß nicht, wo ich wohnen werde."

"Eine große Zahl der Häuser entlang der Hauptstraße sind dem Erdboden gleichgemacht", sagte ein Bewohner von Hanwang, das zur Stadt Mianzhu gehört. Rund 200 Schüler und Lehrer wurden in den Trümmern einer Mittelschule begraben, die zu einer Turbinenfabrik gehört.

Nur ein überlebender Schüler und drei tote Kinder konnten bisher geborgen werden, weil Bergungsgerät fehlte. Im Erdbebengebiet stürzten mehrere Schulen ein und begruben Hunderte von Schülern. Im Landkreis Beichuan wurden bis zu 5000 Tote befürchtet.

Der Vizeparteichef von Mianzhu, Zheng Zemin, sagte laut Xinhua, die Stadt brauche dringend Trinkwasser, Nahrungsmittel, Medizin, Zelte und professionelle Helfer und Ausrüstung zur Bergung der Opfer.

Das Erdbeben stellt eine Herausforderung für die kommunistische Regierung dar. Sie stützt ihr Mandat darauf, dass sie die Ordnung aufrechterhält, für wirtschaftliches Wachstum sorgt und in Katastrophenfällen Hilfe leistet. Sie musste angesichts der bevorstehenden Olympischen Spiele, der Unruhen in Tibet und hoher Inflation rasch reagieren.

Bettlaken und Vorhänge als Verbandsmaterial

"Wir leiden unter einem ernsthaften Mangel an Trinkwasser und Nahrung", sagte Zheng Zemin. "Die Wasserversorgung der Stadt ist fast ganz unterbrochen." Mehr als 10.000 Obdachlose hätten die Nacht im Freien verbracht. "Die Krankenhäuser sind voll, und Zelte werden benötigt, um die Verletzten zu versorgen", sagte der Parteichef.

"Ich bin sehr besorgt", sagte der Vizegeneralsekretär der Regierung von Aba, He Biao. Hilfe mit Zelten, Nahrung oder Medizin müsse aus der Luft abgeworfen werden, weil die Straßen blockiert seien. Auch werden medizinische Hilfskräfte benötigt, um Verletzte zu behandeln.

Wie dramatisch die Lage ist, demonstrierte ein Beamter des städtischen Gesundheitsamtes in Mianzhu: "Bettlaken und Vorhänge sind zerrissen worden, um als Verbandsmaterial benutzt zu werden." In dem schwer betroffenen Landkreis Wenchuan, wo das Epizentrum lag, waren rund 500.000 Häuser zerstört. Opferzahlen aus dem Landkreis 100 Kilometer von der Provinzhauptstadt Chengdu lagen zunächst nicht vor.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP/AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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