Erbgutanalyse:Die letzte Reise des Christoph Kolumbus

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Ist der große Seefahrer in Sevilla, Spanien, beerdigt, oder doch in der dominikanischen Hauptstadt Santo Domingo? Beide Städte nehmen für sich in Anspruch, seine Überreste zu beherbergen. Um endgültig zu klären, wo Kolumbus begraben ist, werden seine mutmaßlichen spanischen Reste nun einer DNS-Analyse unterzogen.

Von Peter Burghardt

(SZ vom 07.06.2003) - Die Reisen des Christoph Kolumbus waren schon zu Lebzeiten verwirrend, sonst wäre er vermutlich gar nicht so weit gekommen.

Die bedeutendste Irrfahrt ereignete sich 1492, als der genuesische Seefahrer in Diensten der spanischen Krone aufbrach, um mit seinen Schiffen Santa Maria, Pinta und Nina auf dem Westweg über den Atlantischen Ozean Indien zu erreichen:

Am 12. Oktober landete er stattdessen auf einer Bahama-Insel und später auf Kuba, Hispaniola und so weiter - das Ankunftsdatum gilt seither als der Tag, an dem Amerika entdeckt wurde.

Dieser Tage, bald 500 Jahre nach seinem Tod, haben die mutmaßlichen Reste des Entdeckers nur die Kurzstrecke von Sevilla nach Granada und zurück absolviert, doch wieder ist alles sehr geheimnisvoll.

Am Montag war eine vergoldete Urne aus dem Reliquienschrein der Kathedrale von Sevilla entnommen worden. "Hier ruhen die Knochen von Don Cristobal Colon, dem ersten Admiral der neuen Welt", steht darauf, aber genau das ist die Frage.

Ruhen sie wirklich hier?

Unter Aufsicht einer umfangreichen Delegation wurde der Behälter feierlich in die rotgelbrote Landesflagge Spaniens gehüllt und in einen Transport zur Universität von Granada gepackt.

Mit auf den Weg machten sich die Gebeine seines Sohnes Hernando sowie jene seines jüngeren Bruders Diego, die bereits am 17. September vergangenen Jahres auf dem Gelände einer Keramik-Fabrik nahe Sevilla exhumiert worden waren.

Nach der Entnahme von Gewebeproben wurden sie am Freitag wieder ehrenvoll beigesetzt, und Experten wollen jetzt ein für allemal klären, ob die drei tatsächlich zusammengehören und sich Sevilla wirklich mit Kolumbus rühmen darf.

Streitlösung mit wissenschaftlichen Methoden

Es wird ja Zeit, den Streit endlich mit wissenschaftlichen Methoden anzugehen. Außer Sevilla ist auch die dominikanische Hauptstadt Santo Domingo traditionell überzeugt davon, dass des Meisters Grab in ihrer Kathedrale liegt, andere Städte reklamieren es ebenfalls für sich.

Dazu kommt der Vorstoß eines Mallorquiners, der beweisen will, dass Kolumbus auf der Baleareninsel geboren sei und nicht in Genua, aber das ist eine andere Geschichte. Als gesichert gilt bislang nur die Identität von Bruder Hernando Colon, der sozusagen als Kronzeuge dient.

Unter Leitung des Gerichtsmediziners Jose Antonio Lorente versuchen internationale Spezialisten den Fall anhand einer DNS-Analyse mit anthropologischen, radiologischen und anderen Techniken zu erhellen, was besonders die Familie Kolumbus begrüßt.

Man müsse das Rätsel endlich lösen, findet Anunciada Colon de Carvajal, Historikerin und Nachfahre aus 14. Generation. Kolumbus sei tot und lebendig schließlich viel unterwegs gewesen.

Das wiederum gehört zu den Problemen dieser Aktion. Zwar ist Professor Lorente, 41, ein ausgewiesener Fachmann: Er dient unter anderem dem FBI und zählt zu den Gründern des Programms Fenix zur genetischen Identifizierung von Verschwundenen. Sein Team untersucht Fundstücke von Opfern des spanischen Diktators Franco, der Todesschwadronen in Chile, Argentinien und anderen Ländern.

Auch Überreste des andalusischen Schriftstellers Federico Garcia Lorca stehen auf seiner Liste, wie Lorente der Zeitung El Pais verriet. Doch Kolumbus' Überbleibsel sind die fünf Jahrhunderte offenbar anzusehen. Das exakte Studium werde mindestens sechs Monate lang dauern, warnt Lorente.

Das Skelett sei nicht mehr rekonstruierbar - die Knochen sind zerbrochen, als ihnen in kleinen Behältern eine Odyssee zugemutet wurde, nachdem Kolumbus 1506 in Valladolid gestorben war.

Andererseits könnte diese Unvollständigkeit das Zeichen sein für einen Kompromiss. "Möglicherweise", sagt Lorente, "ist Kolumbus aufgeteilt zwischen Sevilla und Santo Domingo - und vielleicht auch einem dritten Ort."

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